Hercules | Vereinigung der Kapitäne und Schiffsführer des Fischlandes

Seeunfall der Bark „Hercules"



  1. I. Die in Rostock beheimathete Bark „Hercules“, Unterscheidungssignal MCDR, vermessen zu 965,9 Cubikmeter oder 340,96 britischen Register-Tons Netto-Raumgehalt, welche am 15./16. Februar 1882 an der Küste von Seeland gestrandet ist, wurde seit Anfang des Jahres 1880 geführt von dem Schiffer Ferd. Schwebcke aus Dierhagen. Dieser war vorher Führer des Schiffes „Der alte Peter“ gewesen, welches am 2. Februar 1879 wegen eines schweren Lecks an der jütischen Küste unweit Graerup auf Strand gesetzt werden mußte. In der über diesen Seeunfall stattgehabten Untersuchung ist ausgesprochen worden, daß die Entstehung dieses Lecks zum Theil der mangelhaften Instandhaltung der schon alten Brigg zuzuschreiben sei, und daß demnach der Führer derselben den Unfall mit verschuldet habe.

    Die Bark „Hercules“ hat Schwebcke im Februar 1880 in öffentlicher Auction für 10900 Mark gekauft und alsbald auf der Werft von E. Burchard & Co. hierselbst neu verzimmern lassen. Nach der von dem Letzteren auf Anfrage des Seeamts ertheilten Auskunft haben sich die Kosten der reinen Zimmerarbeit bei dieser Reparatur auf circa 8000 Mark belaufen und ist das Schiff nach Beschaffung derselben in durchaus seetüchtigem Zustande gewesen. Auch im übrigen ist die Bark damals neu ausgerüstet und der Schiffer hat sich mit neuen Seekarten und einem Leuchtfeuerbuch von 1880 versehen. Ein anderes Leuchtfeuerbuch hat er seitdem nicht angeschafft, auch keine Erkundigungen nach etwa stattgehabten Veränderungen von Feuern eingezogen.

    Am 12. Februar 1882 trat der „Hercules“ seine letzte Reise von Newcastle nach Memel mit einer Ladung Steinkohlen an. In der Nacht vom 14. / 15. Februar wurde Skagen passirt, gegen 4 Uhr Morgens kam Kobbergrund-Feuerschiff in 5 Seemeilen Entfernung in Sicht und wurde etwa ¾ Stunde später passirt. Der Curs war damals Sz0 bei frischer westlicher Brise. Gleichzeitig glaubte der Schiffer eine südliche Strömung wahrzunehmen, da er nach seiner Segelung schon bei Anholt hätte sein müssen. Um 8 ¾ Uhr Vormittags wurde nach Steuerbord gewendet und nun WNW gesteuert, auch das Vormarssegel und der Klüver festgemacht und Fock- und Großmarssegel gerefft. Der Wind war inzwischen nach SW herumgegangen und steigerte sich zum Sturm, welcher jedoch um 12 Uhr Mittags wieder abnahm. Um 1 ½ Uhr wurde über Backbordbug gehalst und SSW gesteuert. Um 4 Uhr Nachmittags sah der Schiffer die schwedische Küste in einer Entfernung von ungefähr 10 bis 12 Seemeilen, er ließ das Großobermarssegel wiederum reffen und die Fock festmachen, da der Wind wieder stärker wurde und zu einem harten Sturm aus West anwuchs, welcher sich gegen 6 Uhr Nachmittags zum Orkan steigerte und in dieser Stärke andauernd, über WNW nach NW herumging.

    Dementsprechend wurde um 8 Uhr Abends der Curs auf WSW verändert. Schon vorher, gegen 7 Uhr, hatte der Wind sämmtliche stehende Segel bis auf das Voruntermarssegel und das Vorstengestagsegel zerrissen und war die Luft durch die aufgewühlte See derartig verdunkelt, daß man wenig sehen konnte, obgleich es an sich sichtbare Luft war. Um 11 Uhr Nachts erblickte man ein festes weißes Feuer in WzN und gleichzeitig ungefähr in Ost ein festes Feuer. Ersteres hielten Schiffer und Mannschaft für dasjenige von Anholt-Feuerschiff in dessen Nähe sich das Schiff nach der Berechnung des Schiffers befinden mußte, und wurden beide in diesem Glauben noch dadurch verstärkt, daß sie auch die kleine Laterne am Bugspriet, welche alle Feuerschiffe nach Behauptung des Schiffers in neuerer Zeit führen, wahrzunehmen vermeinten.

    Daß das Feuer von Anholt-Feuerschiff im Mai 1880 in ein Blinkfeuer umgewandelt ist, war ihnen unbekannt. Das Feuer im Osten hielten sie dementsprechend für dasjenige von Morup Tange. Um 2 Uhr Nachts, während die Mannschaft beschäftigt war, die von dem Orcan zerrissenen und gelösten Segel festzumachen, wurde man plötzlich Land voraus gewahr. Der Schiffer versuchte sofort die Bark über Steuerbord an den Wind zu legen, es gelang dies jedoch nicht, da das Schiff wegen seiner zerrissenen Segel manövrirunfähig war und dem Lande zutrieb. Es blieb daher nichts übrig, als das Schiff vor den Wind zu bringen und so auf Strand zu setzen.

    Um 3 ½ Uhr Nachts stieß das Schiff denn auch auf. Die Brandung war hier so stark, daß die Cajüte hinten sofort zerschlagen wurde und die Bark heftig stieß. Der Schiffer ließ daher den Groß- und Fockmast kappen, wodurch eine ruhigere Lage des Schiffes erzielt wurde. Erst am Nachmittage legte sich der Sturm soweit, daß die Mannschaft von dem Lande aus durch Fischer geborgen werden konnte. Man erfuhr nun, daß man unweit Tidsvilde auf Seeland gestrandet war, und daß das zuletzt erblickte Feuer dasjenige von Hesselö gewesen sein mußte. Für die Rettung von Schiff und Ladung etwas zu thun, war während des anhaltenden stürmischen Wetters unmöglich. Erst am 18. Februar hat die Besatzung ihre eigenen Sachen vom Schiffe holen können. Wrack und Ladung sind später für 3200 Kronen verkauft worden.

  2. Die Strandung des Schiffes ist veranlaßt durch den Irrthum über den Standort desselben, in welchem sich Schiffer Schwebcke in der Nacht vom 15. / 16. Februar befunden hat. Dieser Irrthum ist nach Ansicht des Seeamts einmal hervorgerufen durch eine im Laufe des 15. Februar eingetretene Stromversetzung nach Süden.

    Denn eine Absetzung der im Journal verzeichneten Segelung auf der Karte hat ergeben, daß der Schiffer damals, als er das Leuchtfeuer zu Gesicht bekam, allerdings annehmen durfte, sich in der Nähe von Anholt zu befinden. Wenn er anstatt dessen in Wirklichkeit bereits weit südlicher gekommen war, so läßt sich dies nur dadurch erklären, daß die von ihm am Morgen beobachtete Strömung nach Norden sich inzwischen geändert hatte. Wann dieser Wechsel eingetreten ist, hat sich nicht feststellen lassen; weitere Erkundigungen in dieser Richtung einzuziehen, ist aber nicht für erforderlich erachtet, da man nicht erwarten kann, daß Beobachtungen von hinreichender Genauigkeit und Häufigkeit in dem betreffenden Meerestheile gemacht worden sind.

    Daß aber der Schiffer diese Aenderung der Strömung nicht bemerkt hat, kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, da er im Laufe des Tages keine Gelegenheit gehabt hat, die Richtigkeit seiner Berechnungen zu prüfen. Eine solche bot sich ihm erst, als er Abends 11 Uhr die Leuchtfeuer erblickte, sie diente aber nur dazu, ihn in seinem Irrthum zu bestärken in Folge der Verwechselung der Feuer von Hesselö und Anholt-Feuerschiff, welche demnach als weitere Ursache des Seeunfalls zu betrachten ist. Und in dieser Beziehung kann Schiffer Schwebcke nicht von jeder Verschuldung freigesprochen werden.

    Zunächst nämlich mußte ihn, auch wenn ihm die seit dem Beginn des Jahres 1880 eingetretene Veränderung des Feuers von Anholt-Feuerschiff unbekannt geblieben war, da er dem letzteren nahe genug gekommen zu sein glaubte, um die Laterne am Bugspriet zu erkennen, der Umstand auf das Bedenkliche feiner Annahme aufmerksam machen, daß er nicht zugleich das Landfeuer von Anholt sah. Weiter aber auch kann von dem Führer eines Schiffes verlangt werden, daß er über die Leuchtfeuer einer von ihm häufiger befahrenen Seestraße Erkundigungen einzieht und nicht mit den schon vor Jahren eingetretenen Aenderungen der Verhältnisse unbekannt bleibt.

    Von dem hier in Betracht kommenden Wechsel sich zu unterrichten, wäre für ihn aber besonders leicht gewesen, da er nach Ausweis seines Journals bereits am 30. November 1881 Anholt-Feuerschiff bei Nacht passirt und gesehen hat und damals eine Verwechselung durch die, ebenfalls aus dem Journal sich ergebende, Sichtbarkeit von Anholt-Feuerschiff späterhin von Kobbergrund-Feuerschiff und Trendelen-Feuerschiff ausgeschlossen war.



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