Seeunfall der Bark "Emma Römer"
Spruch des Seeamtes zu Rostock vom 21. Januar 1890, betreffend den Seeunfall der Bark "Emma Römer" von Rostock
Der Spruch des Seeamts lautet:
Die Ursache des am 28. März 1889 auf der Bark "Emma Römer" im Hafen von Macassar ausgebrochenen Feuers, welche den Verlust des Schiffes zur Folge gehabt, hat nicht ermittelt werden können. Es ist zu tadeln, dafl der Steuermann Radloff beim Verstauen von Copra im Schiffsraum offene Stearinlichte gebrannt hat.
Entscheidungsgründe.
Die Bark "Emma Römer" Unterscheidungssignal MDFH, Heimathafen Rostock, erbaut 1874/75 aus Eichenholz, vermessen zu einem Netto-Raumgehalt von 1202,4 cbm gleich 424,45 britischen Register-Tons, ist am 28. März 1889 im Hafen von Macssar auf Celebes durch Feuer zerstört. Die eingeleitete Untersuchung hat folgendes Beweisresultat ergeben:
Am 4. Februar 1889 langte die Bark unter Führung des Schiffers Albert Permien aus Wustrow, welchem 120/360 Parten im Schiffe gehörten, mit einer Ladung Stückgüter von Amsterdam auf der Rhede von Macassar an. Nach Löschung der Stückgüter ward eine nach Lissabon bestimmte Ladung Copra wieder eingenommen an welcher bis zum 28. März ca. 6.000 Pikuls an Bord verstaut waren. Bei dieser Arbeit wurden regelmäßig 6 bis 7 Eingeborene, sogenannte Kulis, verwendet.
Dieselben sind durchweg leidenschaftliche Raucher. Auch an den Nachmittagen des 27. und 28. März 1889 waren Kulis an Bord. Es ward damals unter Leitung des zweiten Steuermanns, Gustav Radloff aus Warnemünde, in der Nähe der Hinterluke gearbeitet. Da es im Raum zu dunkel war, ließ der Steuermann am Nachmittag des 27. März drei ungeschützte Stearinlichte brennen. Zwei derselben wurden, so lange sie brannten, von zwei Schiffsjungen in der Hand gehalten, das dritte befestigte der Steuermann auf einem ca. 3 Fuß langen und 11 Zoll breiten Brett und stellt es so auf die Copra. Sämmtliche Lichte sind auf Deck angezündet und gelöscht. Als der Steuermann am Vormittag des 28. März wieder in den Raum hinabkam, hat er alles in Ordnung gefunden, insbesondere keinen Brandgeruch bemerkt.
Am Nachmittag des 28. März ist wiederum bei offenen Licht im Raum gearbeitet. Diesmal hat aber nur ein Stearinlicht gebrannt, welches der Steuermann Radloff unausgesetzt in der Mitte des Schiffes stehend in der Hand gehalten und später auf Deck ausgeblasen haben will. Im Widerspruch hiermit ist von zwei Kulis behauptet, daß das fragliche Licht ohne Leuchter auf die Copra gestellt sei und dort noch gestanden habe, als sie nach Schluß der Arbeit den Raum verlassen hätten. Gegen 5 Uhr 45 Minuten ist die Arbeit beendet worden. Die Kulis sind um diese Zeit von Bord gegangen.
Als letzter hat der Steuermann Radloff unmittelbar nach nach den Kulis den Raum verlassen. Die aufler den Seitenlaternen an Bord befindlichen beiden Ankerlaternen sind angeblich um deswillen nicht bei der Arbeit gebraucht, weil sie, wenn beschädigt, nicht überall reparirt werden konnten. Weitere Laternen sind an Bord nicht vorhanden gewesen. Gegen 7 Uhr Abends bemerkte der Koch Müller, als er mit dem Zimmermann Ramm zusammen auf der Großluke saß, einen Brandgeruch. Er überzeugte sich zunächst, daß die Lampe bei der Schiffsuhr in Ordnung und im Kochhaus kein Feuer mehr sei, und öffnete dann, da er bei seinem Gange über das Deck die Bretter des letzteren Knacken hörte, die Hinterluke. Während ihm aus derselben ein betäubender Qualm entgegenschlug, sah er, daß es hinten im Raum hell brannte. Auf seinen Feuerruf kamen die beiden Steuerleute Krugmann und Radloff -
der Schiffer war seit Nachmittags 4 Uhr an Land - herbei und überzeugten sich, daß das Feuer an der Steuerbordseite querab von der Achterluke sei, an welcher Stelle nach Aussage des Radloff am Nachmittage die Kulis gearbeitet hatten. Krugmann ließ an der Stelle, an welcher es am heißesten war, vom Zimmermann ein Loch in das Deck schlagen, die Speigatten schließen und die Pumpen, bei welchen etwa 10 Zoll Wasser standen, in Gang bringen, so daß das Wasser in den Raum floß. Außerdem ließ er, so viel es ging, durch die Achterluke Wasser in den Raum gießen. Trotzdem griff das Feuer mit großer Schnelligkeit um sich. Als der Schiffer gegen 8 Uhr an Bord kam, war der Fußboden seiner auf Deck stehenden Kajüte bereits durchgebrannt.
Fast gleichzeitig mit ihm kamen der Gouverneur und der deutsche Consul, während der Hafenmeister und ein Officier mit Mannschaft von dem dort ankernden belgischen Kriegsschiffe "Sperber" bereits früher zur Hülfe gekommen waren. Da des in der angegebenen Weise fortgesetzten Löschens ungeachtet das Feuer stetig zunahm, wurden die Sachen der Mannschaft und des Schiffers in einen von Lande gekommenen Prahm befördert. Gegen 10 Uhr schlug das Feuer hinten allenthalben aus dem Raum heraus, so daß zwei dort beschäftige Matrosen nicht mehr vorauskommen konnten, sondern gezwungen waren, über Bord zu springen. Dieselben wurden von dem erwähnten Prahm aufgenommen.
Bald kam das Feuer auch aus der Großluke und der Großmast brannte. Jetzt verließ der Schiffer mit der Mannschaft das Schiff. Schleppdampfer, mittelst deren man das Schiff auf eine in der Nähe befindliche Bank bringen und dort hätte auf Grund setzen können, waren nicht zur Stelle, wie es denn überhaupt im Hafen an Löschvorrichtungen fehlte. Man versuchte mit Hülfe von Booten, die der Hafenmeister geschickt hatte, das Schiff in flacheres Wasser zu bringen, und schlippte zu diesem Zweck erst die Backbordkette und dann, als der Wind sich drehte und der Hafenmeister fürchtete, das brennende Schiff würde dem Land zu treiben, die Steuerbordkette, allein der Versuch mißlang.
Bis 12 Uhr Nachts blieben Schiffer und Mannschaft beim Schiff. Zu dieser Zeit waren Großmast und Besanmast bereits über Bord gefallen. Am nächsten Tage ward vom Hafenmeister zwei Mal der Versuch gemacht, das noch immer brennende Schiff auf Grund zu holen; es gelang jedoch nicht, da man des starken Feuers wegen die Ankerkette nicht kappen konnte. Die Mannschaft versuchte an diesem Tage noch soviel wie möglich vom Inventar zu bergen, brachte aber nur verbranntes Tauwerk und einige Blöcke an Land. Am 30. März ist das Wrack auf Anordnung des deutschen Consuls in Macassar besichtigt, für reparaturunwürdig erklärt und noch an demselben Tage öffentlich meistbietend für 315 Gulden holländisch verkauft.
Der Antheil des Schiffers am Schiffe ist mit 15.000 M versichert gewesen, die Effecten des Schiffers sowie diejenigen des Steuermann Radloff waren jedoch nicht versichert. Ueber die Entstehung des Feuers haben weder Schiffer noch Mannschaft, welche sowohl vor dem deutschen Consul als auch vor dem hiesigen Seeamt vernommen worden, Aufklärung zu geben vermocht. Auch das Seeamt hat sich in Uebereinstimmung mit dem Herrn Reichscommissar eine bestimmte Ansicht nicht bilden können.
Es sind drei Möglichkeiten erwogen:
- zufälliger Ausbruch des Feuers durch Selbstentzündung der Ladung,
- absichtliche Brandstiftung,
- fahrlässige Brandstiftung.
Hinsichtlich der Selbstentzündung der Ladung hat das Seeamt ein Gutachten von dem Herrn Senator Dr. Brunnengräber hierselbst als Sachverständigen eingeholt, sowie die Erklärung von drei Firmen von Macassar, welche den Export von Copra betreiben, herbeigeführt. Sämmtliche Experten halten bei der öligen Beschaffenheit der Copra eine Selbstentzündung durch Reibung für ausgeschlossen, und der Sachverständige Dr. Brunnengräber hat hinzugefügt, daß er nach der chemischen Zusammensetzung des in Copra enthaltenen Oeles auch eine Entzündung in Folge Verbindung dieses Oeles mit dem Sauerstoff der Luft nicht für möglich erachte.
Auf Grund dieser Gutachten muß davon ausgegangen werden, daß der Brand durch Selbstentzündung der Ladung nicht entstanden ist.Für die zweite alternative, absichtliche Brandstiftung, liegen keinerlei Anhaltspunkte vor, insbesondere erscheinen weder der Schiffer noch der Steuermann Radloff in dieser Beziehung verdächtig. Der Schiffer ist zur Zeit der Entstehung des Feuers, welches, da Copra sehr schnell brennt, nicht früher als bei Schluß der Arbeit am Nachmittag des 28. März ausgebrochen sein kann, nicht an Bord gewesen;die Versicherung seiner Schiffsparten war angemessen; seine an Bord befindlichen Effecten sind nicht versichert gewesen, ebensowenig diejenigen des Steuermanns Radloff.
Dafür, daß das Feuer von einem anderen Mitgliede der Mannschaft, sei es aus Rache oder aus einem anderen Grunde, angelegt sei, spricht nichts. Das Verhältnis zwischen Schiffer und Mannschaft ist ein gutes gewesen. Die Ermittlungen bezüglich einer vorsätzlichen Brandstiftung haben mithin ein lediglich negatives Resultat ergeben. Hinsichtlich der fahrlässigen Brandstiftung waren wieder zwei Möglichkeiten denkbar, insofern nämlich das Feuer durch die beim Verstauen der Copra gebrauchte ungeschützte Kerze oder durch heimliches Rauchen der Kulis entstanden sein kann.
Denn wie von dem Sachverständigen Dr. Brunnengräber in der Hauptversammlung demonstrirt worden, fängt die Copra außerordentlich leicht Feuer, so daß dieselbe sowohl durch ein umgefallenes Licht als auch durch ein weggeworfenes brennendes Schwefelholz in Brand gesetzt werden kann. Es habe sich jedoch keine Momente ergeben, aus welchen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die eine oder die andere dieser beiden möglichen Entstehungsarten geschlossen werden könnte. Gegen die Annahme, daß der Brand durch das offene Stearinlicht verursacht sei, spricht die bestimmte Aussage des Steuermanns Radloff, daß er das Licht während der ganzen Zeit des Gebrauchs, und zwar an einer Stelle, an welcher das Feuer nicht aufgegangen ist, in der Hand gehalten und auf Deck ausgelöscht habe. An dieser Aussage zu zweifeln, liegt genügend Grund nicht vor, auch nicht in Beihalt der widersprechenden Angabe der erwähnten beiden Kulis. Denn abgesehen davon, dafl dieselben möglicherweise von sich selbst den Verdacht ablenken wollen, ist eine Verwechslung mit dem Tage vor dem Brande, an welchem der Steuermann das Licht mit einem Brett auf die Copra gestellt hatte, nicht ausgeschlossen.
Außerdem ist es nicht erklärlich, daß der Steuermann, falls die Flamme des Lichts, die Copra entzündet hätte, dies nicht bemerkt haben sollte;man müßte denn schon annehmen, daß er beim Verlassen des Raumes das Licht in demselben brennend zurückgelassen hätte. Diese Annahme aber ist durch nichts unterstützt.
Für die zweite Möglichkeit, daß die Kulis bei Schluß der Arbeit heimlich ihre Cigaretten im Raume angezündet und dabei durch ein weggeworfenes brennendes Schwefelholz den Brand verursacht haben, spricht einmal, daß denselben, wie von dem Kaiserlich deutschen Consulat in Macassar bestätigt wird, ein heimliches Rauchen bei der Arbeit zugetraut werden darf, außerdem, daß der Steuermann Radloff sie einige Tage vor dem Brande wirklich im Raume bei der Arbeit rauchend betroffen hat, und endlich, daß das Feuer in der Nähe der Stelle, an welcher die Kulis am Tage des Brandes gearbeitet haben, aufgegangen ist.
Allein auch diese Verdachtsmomente sind für eine bestimmte Ueberzeugung des Seeamts, daß das Feuer grade auf diese und nicht auf andere Weise entstanden sei, nicht ausreichend. Demzufolge konnte der Spruch des Seeamts den Ausführungen des Herrn Reichscommissars entsprechend, nur dahin lauten, daß die Ursache des Feuers nicht ermittelt sei. Trotzdem hat das Seeamt geglaubt, das Brennen der ungeschützten Lichte im Raum beim Verstauen einer so feuergefährlichen Ladung, wie Copra, ernstlich rügen zu müssen, wenn es auch dem Steuermann Radloff einigermaßen zur Entschuldigung gereichen mag, daß er diese Feuergefährlichkeit nicht voll erkannt hat. Ebenso ist nicht zu billigen, daß sich auf dem Schiffe aufler den beiden Anker- und Seiten-Laternen keine zum Gebrauch bei der Arbeit im Raum bestimmte Laterne, wie sonst allgemein üblich, befunden hat. Schließlich kann das Seeamt auf Grund des vorliegenden Falles seine Ansicht nur dahin aussprechen, daß ihm bei der großen Feuergefährlichkeit der Copra und ihrer Bedeutung im Handelsverkehr eine gesetzliche Bestimmung dahin, daß bei Copra-Ladung nur Licht in geschlossenen Laternen im Schiffsraum gebrannt werden darf, wünschenswerth erscheint.