Die Schwalbe | Vereinigung der Kapitäne und Schiffsführer des Fischlandes

Seeunfall der Bark „Die Schwalbe"



  1. dass der am Abend des 17. December 1879 im Kattegat stattgehabte Zusammenstoss der Bark „Die Schwalbe“ mit dem britischen Dampfer „Glenavon“, welcher das sofortige Sinken der ersteren und den Tod von 4 zur Besatzung der selben gehörigen Personen zur Folge hatte, in erster Linie dadurch verursacht ist, dass man auf dem Dampfer in Folge des Nebels die Bark zu spät und erst dann bemerkte, als ein Ausweichen nicht mehr möglich war, dass aber, wie das Seeamt als wahrscheinlich annimmt, die zu grosse Fahrgeschwindigkeit des Dampfers, sowie der Umstand, dass dort nicht gehöriger Ausguck gehalten ward, zur Herbeiführung der Collision mitgewirkt haben werden,


  2. dass der Besatzung der Bark keinerlei Schuld an dem See Unfall beizumessen ist.


  3. Entscheidungsgründe.

  1. Am 11. December 1879 ging die Rostocker Bark „Die Schwalbe“, ein Schiff von 306,85 Register-Tons, aus Grimsby mit einer nach Kopenhagen bestimmten Ladung Kohlen in See. Geführt war sie von Schiffer Andreis aus Dierhagen, während die Mannschaft aus dem Steuermann Deug, den Matrosen Hansen und Johannsen, dem Halbmann Deutsch, den Jungmännern Sengbusch und Wust und dem Jungen Carl Krüger, im ganzen aus 7 Personen bestand.

    Die Bark war im Jahre 1853 in England erbaut und im Jahre 1873 für 1.450 £ an den Schiffer F. Tach zu Rostock verkauft worden, welcher sie dort registriren liess und bis zum Jahre 1875 selbst fuhr. Dann ging die Führung auf den Schiffer Andreis über, welcher zur Zeit des Unfalles 80/60 Antheile im Schiffe hatte.


  2. Die Reise vorlief nach der beeidigten Aussage des Steuermannes Deug zum Verklarung-Protocoll des Canton-Gerichtes zu Rotterdam vom 23. December 1879, sowie zu dem Protocolle des Königlichen Amtsgerichts zu Kiel vom 27. Januar 1880, welche durch das ebenfalls beeidigte Zeugniss des Jungmanns Sengbusch zun Protocollo des Königlichen Amtsgerichts zu Stettin vom 26. Januar 1880 unterstützt wird, - bis zum 17. December glücklich. Am Abend dieses Tages stand die Bark im Kattegat, etwa 8 Seemeilen nördlich von der Insel Anholt. Der Wind wehte mit mässiger Stärke aus WSW und die Bark, welche fast alle Segel bei hatte und etwa 3 Knoten lief, verfolgte den Curs SzO. Die Seitenlaternen brannten hell. Das Wetter war nebelig und sehr dunkel.

    Schifter Andreis, welcher von 6 Uhr Abends an zusammen mit den Matrosen Hansen und Sengbusch und dem Jungen Krüger die Wache hatte, liess daber scharfen Ausguck halten und alle 2 Minuten das Nobelhorn, ein Kuhhorn mit kupfernem Mundstück und gut hörbar, blasen. Bald nach 7 Uhr, als der Steuermann Deug eben wieder an Deck gekommen war, vernahm man an Backbord voraus die Töne einer Dampfpfeife, welche 3 bis 4 Mal in Zwischenräumen von 2 bis 3 Minuten erschallten. Gleich darauf sah Steuermann Deug ebenfalls an Backbord voraus das weisse Topplicht eines Dampfers. Er sprang an die Leeseite, und als er nun auch das grüne Licht des Dampfers erblickte, befahl er dem am Ruder stehenden Matrosen Sengbusch, anzuluven, ein Befehl, welchem dieser sofort nachkam. Etwa 1 Minute darauf erfolgte der Zusammenstoss.

    Das fremde Schiff, der in Newcastle on Tyne beheimathete, auf der Reise von Libau nach Rotterdam mit einer Ladung Bohlen und Bretter befindliche Dampfer „Glenavona“, Schiffer Beazley, traf die Bark an Backbordbug nahe beim Fockmast und lief mehrere Fuss weit in dieselbe hinein. Die Bark sank denn auch innerhalb 2 Minuten, ehe noch deren Boot einem vom Schiffer Andreis gegebenen Befehle gemäss hatte ausgesetzt werden können. Die ganze Besatzung ward mit in die Tiefe gerissen, und nur dem Steuermann Deug sowie den Matrosen Hansen, Johannsen und Sengbusch gelang es, sich durch Schwimmen auf den Dampfer bezw. in dessen Boot zu retten, während der Schiffer Andreis, der Jungmann Carl Wust aus Ahlbeck, der Halbmann Hermann Deutsch aus Neuwarp und der Junge Carl Krüger aus Stettin überhaupt nicht wieder an die Oberfläche kamen. Das Boot des Dampfers, welches sofort nach dem Zusammenstoss zu Wasser gebracht war, suchte noch etwa eine Stunde lang jedoch vergeblich nach ihnen. Dann setzte der „Glenavon“, welcher keine nennenswerthen Beschädigungen erlitten hatte, mit den 4 Geretteten seine Reise fort und landete dieselben am 22. December in Rotterdam.


  3. Nach der Darstellung der Besatzung des Dampfers „Glenavon“ bei ihrer eidlichen Verklarung zum Protocolle des Cantonrichters zu Rotterdam vom 23. December 1879, womit die Aussagen des Schiffers Beazley, des Obersteuermanns Welck und des Untersteuermannes Sandersen zum Protocoll des deutschen Consuls zu Newcastle vom 12. Februar 1880 übereinstimmen, verlief die Katastrophe folgendermassen.

    Am 17. December, Abends 6 Uhr, stand der Dampfer etwa 4 Seemeilen östlich von der Insel Anholt. Der Wind war westlich bei mässiger Stärke, der Curs NzW¼W. Der Schiffer, welcher die Wache hatte, stand mit dem Untersteuermann auf der Commandobrücke, während der Obersteuermann in der Cajüte war. Die Seitenlaternen brannten hell. Um 6¾ Uhr ward das Wetter neblig und sehr dick. Der Schiffer liess daher die Fahrt mindern und die vorschriftsmässigen Nebelsignale mit der Dampfpfeife geben. Matrose Ridlenop stand vorne auf dem Ausguck. Etwa um 7½ Uhr hörten der Schiffer und der Untersteuermann die Töne eines Nebelhorns an Backbordsbug voraus, worauf der Schiffer das Ruder etwas backbord legen liess. Um 7¾ Uhr hörten sie wiederum ein Nebelhorn und zwar nun grade voraus. Jetzt liess der Schiffer die Maschine stoppen und das Ruder hart backbord legen. Zwei Minuten später sahen sie etwas an Steuerbord voraus, erst das grüne Licht, dann beide Seitenlichter eines Segelschiffes, welches grade auf sie zu kam. Die Schiffe waren damals ungefähr noch 150‘ von einander entfernt. Der Schiffer befahl, die Maschinen mit voller Kraft rückwärts gehen zu lassen, was sogleich ausgeführt wurde. Trotzdem erfolgte unmittelbar darauf der Zusammenstoss, indem der Dampfer das Segelschiff mit seinem Vorsteven am Backbordsbug beim Krahnbalken anrannte. Das letztere sank sofort. Mittelst des unverzüglich ausgesetzten Bootes gelang es, einen Mann des gesunkenen Schiffes zu retten, während drei andere an ausgeworfenen Tauen aus dem Wasser gezogen wurden. Nachdem das Boot des Dampfers noch etwa eine Stunde lang vergeblich nach den übrigen Schiffbrüchigen gesucht hatte, setzte der letztere eine Reise fort.

    Schiffer Beazley will die Collision zum Theil dem Umstande beimessen, dass die Bark zu viele Segel geführt habe, und deren Nebelhorn schlecht gewesen sei.


  4. Das Seeamt macht seiner Beurtheilung des vorliegenden Unfalles das beeiligte Zeugniss des Steuermanns Deug grundleglich, mit welchem nicht nur die Aussage des Jungmanns Sengbusch, sondern im Wesentlichen auch die Depositionen der Besatzung des „Glenavon“ im Einklang stehen. Die aus den anscheinenden Abweichungen der letzteren von den Angaben des p.p. Deug in Bezug auf die Stellung beider Schiffe zu einander vor der Collision entstehenden Zweifel finden ihre Lösung darin, dass die Engländer offenbar von dem Momente unmittelbar vor dem Zusammenstosse sprechen, und wenn dieselben damals das grüne Seitenlicht der Bark gesehen haben wollen, was kaum denkbar ist, so mag diese ihre Angabe auf einer Verwechselung der Lichter beruhen.

  5. Prüft man nun von diesem Standpunkt aus zunächst
    • das Verhalten der Besatzung, so kann dasselbe nur nach allen Richtungen hin als ein den Umständen angemessenes und den gesetzlichen Vorschriften entsprechendes bezeichnet werden. Die Deckswache war gehörig besetzt, die Seitenlaternen brannten hell, es ward scharfer Ausguck gehalten und den Bestimmungen über die Anwendung von Nebelsignalen in Artikel 10 der Kaiserlichen Verordnung zur Verhütung des Zusammenstossens der Schiffe auf See vom 23. December 1871 dadurch genügt, dass das Nebelhorn in kurzen Zwischenräumen geblasen wurde. Das letztere bestand in einem Kuhhorn und ist nach der übereinstimmenden Versicherung der Mannschaft gut hörbar gewesen. Auf den meisten Mecklenburger Schiffen werden solche Kuhhörner und nicht metallene Blasinstrumente zum Geben der Nebelsignale gebraucht, und so wird man annehmen dürfen, dass sie sich in der Praxis bewährt haben. Wenn in dem vorliegenden Falle das Nebelhorn der Bark nach den Aussagen der Besatzung des Dampfers dort erst kurz vor dem Zusammenstoss gehört worden ist, so mag sich das aus der abstehenden Windrichtung erklären, wenn es nicht in mangelhafter Aufmerksamkeit der Deckswache des Dampfers seinen Grund gehabt hat. Jedenfalls lässt sich aus der Beschaffenheit des gebrauchten Nebelhorns gegen den Führer der Bark ein Vorwurf schon um deswillen nicht herleiten, weil das Reichsgesetz über die Art und Beschaffenheit der Nebelhörner bestimmte Vorschriften nicht enthält.

      Vom Schiffer Beazley ist darauf hingewiesen, dass die Bark zu viele Segel geführt und so die Collision mit verschuldet habe, und es wird daher die Frage zu erörtern sein, ob dieser Vorwurf begründet ist. Dieselbe muss indess verneint werden. Fest steht, dass die Bark folgende Segel führte:
      Grosssegel, Grossbramsegel, Grossmarssegel, Fock, Vormarssegel, Stagsegel, Klüver, Aussenklüver und Besahn, während die leichteren Segel festgemacht waren.
      Ihre Fahrgeschwindigkeit belief sich bei der schwachen Briese auf drei Seemeilen die Stunde. Dieselbe durch Wegnehmen von Segeln noch mehr zu verringern, war aber nicht gerathen, wenn nicht die Manövrirfähigkeit des Schiffes eine Beeinträchtigung erfahren sollte, welche demselben bei einer drohenden Collision gefährlich werden und dessen Schiffer die Verantwortlichkeit für eine solche auferlegen konnte. Das allegirte Reichsgesetz aber schreibt in Art. 16 Abs. 2 nur den Dampfschiffen und nicht auch den Segelschiffen bei Nebelwetter eine Minderung der Fahrt vor.
      Als man auf der Bark etwa 2 Minuten vor dem Zusammenstoss zuerst das weisse Topplicht und gleich darauf auch das grüne Seitenlicht des Dampfers erblickte, waren beide Schiffe einander bereits ganz nahe und es war der Fall des Artikel 19 des Reichsgesetzes vom 23. December 1871 gegeben, wonach es der Bark, wie wohl ihr nach Artikel 15 der Dampfer aus dem Wege zu gehen verpflichtet war und sie selbst nach Artikel 18 ihren Curs hätte beibehalten sollen, unter den obwaltenden besonderen Umständen gestattet war, von der Bestimmung des Artikel 18 abzuweichen. Bei einem Festhalten des Curses war ein Zusammenstoss unvermeidlich, während eine Wendung nach Steuerbord denselben, wenn nicht gänzlich beseitigen, so doch möglicher Weise in seinen verderblichen Folgen abschwächen konnte.

      Der Steuermann Deug handelte daher vollkommen richtig und der gesetzlichen Vorschrift gemäss, wenn er den Befehl ertheilte, anzuluven. Nach Eintritt der Collision konnte, da dieselbe das schnelle Sinken der schwer beschädigten Bark zur Folge hatte, lediglich an eine Rettung der Mannschaft gedacht werden. Schiffer Andreis hat denn auch sofort das Klarmachen des Bootes angeordnet, und wenn diese seine Anordnung nicht mehr ausgeführt ist, weil die Bark bereits nach 2 Minuten mit der gesammten Besatzung in die Tiefe gesunken war, so trägt er hieran keine Schuld.

    • Anlangend sodann

    • das Verhalten der Besatzung des Dampfers, so war man dort ebenfalls den Bestimmungen des internationalen Strassenrechtes auf See in sofern nachgekommen, als man das Topplicht um die Seitenlichter angezündet und die vorschriftsmässigen Signale mit der Dampfpfeife gegeben hatte. Auch das nimmt das Seeamt auf Grund der Verklarung und der Vernehmung vor dem deutschen Consul zu Newcastle als erwiesen an, dass Schiffer Beazley schon bei Eintritt des Nebelwetters die Fahrt des Dampfers hatte mindern lassen, dass er, als das Nebelhorn der Bark grade voraus vernommen ward, das Ruder hart Backbord legen, die Maschinen stoppen und letztere, als gleich darauf das Seitenlicht der Bark erschien, mit voller Kraft rückwärts gehen liess, ein Verfahren, welches als ebenso correct bezeichnet werden muss, wie das Verhalten der Besatzung des Dampfers nach dem Zusammenstoss. Denn indem dieselbe beschleunigt ein Boot zu Wasser brachte, damit einen Mann der Besatzung der Bark rettete, drei andere an Tauen aus dem Wasser zog, nach den 4 Vermissten noch etwa eine Stunde lang unter Abbrennen von Blaufeuer suchte und ihre Reise erst fortsetzte, als jede Hoffnung auf ein Auffinden derselben geschwunden war, that sie alles, was nach Lage der Sache geschehen konnte und entsprach damit vollständig den an die deutschen Schiffer gestellten Anforderungen der Kaiserlichen Verordnung vom 15. August 1876 über das Verhalten nach einem Zusammenstoss von Schiffen auf See. Dagegen erscheint es zweifelhaft,


      1. ob die Fahrt des Dampfers bei Eintritt des Nebels in genügender Weise gemindert worden war und

      2. ob man auf demselben sorgfältigen Ausguck gehalten hatte. Schiffer Beazley und Untersteuermann Sandersen, welche vor und zur Zeit der Katastrophe die Wache an Deck hatten, behaupten Beides. Da aber


      3. ad 1. durch eine Vernehmung des Ingenieurs oder in sonst geeigneter Weise nicht hat constatirt werden können, wie viele Umdrehungen die Maschinen bei voller Kraft und wie viele sie am Abend des 17. December bei abgeminderter Fahrt hatten, auch nicht vorliegt, wie gross die Fahrgeschwindigkeit des Dampfers bei voller Kraft war und wie gross sie am Abend des 17. December gewesen ist, so befindet sich das Seeamt nicht in der Lage, ein bestimmtes Urtheil in dieser Beziehung auszusprechen, muss aber in Hinblick auf die ungemein schnelle Annäherung des Dampfers und auf den kurzen Zeitraum von kaum 2 Minuten, welcher zwischen dem Augenblick, wo man auf der Bark zuerst sein Topplicht sah und dem Eintritt der Collision liegt, als wahrscheinlich annehmen, dass er in der That eine verhältnissmässig zu grosse Fahrt hatte.
        Ebenso kann sich das Seeamt

        ad 2. nicht der Vermuthung entschlagen, dass man es auf dem Dampfer an einem gehörigen Ausguck fehlen liess und deshalb das Seitenlicht der Bark zu spät gewahrte. Denn sonst hätten bei dem sofort auf demselben gegebenen Commando „Hart Backbordruder“ beide Schiffe sich um so mehr noch frei an Backbordseite passiren müssen, als man auch auf der Bark das Ruder nach Backbord übergelegt hatte. Dass aber der Dampfer etwa in Folge des Rückwärtsganges der Schraube bei Backbordruder anstatt nach Steuerbord nach Backbord abgefallen sei, ist nicht anzunehmen, da eine solche Wirkung nicht schon nach 2 Minuten einzutreten pflegt.

  6. Aus den Ausführungen unter IV. erhellt,

    1. dass der mit so betrübenden Umständen begleitete Seeunfall in erster Linie dadurch verursacht ist, dass der Dampfer nicht, wie es seine Pflicht war, der Bark aus dem Wege ging,

    2. dass diese Unterlassung zwar wesentlich dem herrschenden Nebel beigemessen werden muss, aber wahrscheinlich auch mit dadurch veranlasst worden ist, dass man auf dem Dampfer die Fahrt nicht hinreichend gemässigt und nicht genügenden Ausguck gehalten hatte, und demnach

    3. dass die Collision, welche den Unfall herbeiführte, mindestens zum Theil von der Besatzung des Dampfers verschuldet ist, während der Besatzung der Bark keinerlei Schuld an derselben beigemessen werden kann.



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