Seeunfall der Brigg „Der alte Peter"
Spruch des Seeamts zu Rostock vom 8. November 1879 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 10. Januar 1880, betreffend den Seeunfall der deutschen Brigg „Der alte Peter“ von Rostock.
Schiff in der Nordsee leck geworden und deshalb absichtlich bei Graerup an der jütischen Küste auf den Strand gesetzt.
In der Untersuchungssache wegen der am 18. Februar dieses Jahres in der jütischen Westküste unweit Graerup erfolgten Strandung der Rostocker Brigg „Der alte Peter“ giebt das unterzeichnete Seeamt den nachfolgenden Spruch ab:
- Der Seeunfall ist durch einen schweren Leck verursacht, welcher die Besatzung zwang, die Brigg auf den Strand zu setzen.
- Die Entstehung des Lecks ist zum Theil der mangelhaften Instandhaltung der schon alten Brigg zuzuschreiben und hat demnach der Führer derselben, Kapitän F. Schwebke aus Dierhagen, den Unfall mit verschuldet.
- Der gegen Kapitän Schwebke gerichtete Antrag des Reichskommissars auf Patententziehung wird abgelehnt.
Gründe.
- Die Rostocker Brigg „Der alte Peter“, Unterscheichungs-Signal MBSK, ist im Jahre 1839 vom Schiffsbaumeister Dethloff sen. hierselbst für Rechnung des Schiffers Andreis zu Dierhagen aus eichen Holz mit buchenem Kiel erbaut und im Jahre 1874 zu 556,5 cbm oder 196,44 Register-Tons Netto-Raumgehalt vermessen. Seit dem Jahre 1873 ward sie von dem Schiffer Ferdinand Schwebke aus Dierhagen geführt, welcher sein Steuermanns Examen im Jahre 1855, sein Schiffer-Examen im Jahre 1868 bestanden hat. Demselben gehörte nahezu der vierte Theil des Schiffes zu eigen und war er mit seinen Parten versichert.
- Nach den übereinstimmenden Angaben von Schiffer und Mannschaft war die Brigg am 18. Dezember 1878 mit einer Ladung von 260 Tons Kohlen von Newcastle nach Christiania in See gegangen. Die Besatzung bestand abgesehen vom Schiffer aus sechs Mann und das Schiff war, soweit ermittelt worden, mit allem Erforderlichen, namentlich auch mit guten Seekarten für die Reise ausgerüstet. Der Wind war anfangs aus W, sprang aber bald nach NO um und ward sehr heftig. Die See ging hoch und die Brigg, welche schwer stampfte, begann viel Wasser zu machen. Theils aus diesem Grunde, theils des ungünstigen Windes halber, welcher nach NNW gegangen war und sturmartig wehte, entschloss sich Schiffer Schwebke, Cuxhaven anzulaufen, welches er am 21. Dezember erreichte. Hier ward das bei Ebbe an Grund stehende Schiff, welches bereits vor Beginn der Fahrt in Shields einer Reparatur unterzogen war, von neuem gedichtet.
Am 14. Februar 1879, als das Fahrwasser soweit eisfrei geworden, setzte die Brigg von Cuxhaven aus ihre Reise fort. Der Wind war flau aus OSO, man hatte alle Segel bei und der Schiffer liess, nachdem Helgoland auf Steuerbordseite passirt war, mit NW- und NNW-Curs die schleswig-holsteinische und sodann die jütische Küste entlang steuern. Am 15. Februar blieben Wind und Curs unverändert. In der Nacht vom 15./16. Februar aber ging der Wind nach Ost und dann nach OzN und nun ward der Curs nach NNO geändert.
Am Morgen des 16. Februar frischte der Wind auf, weshalb die beiden Ober-Marssegel, das Grosssegel und die beiden Klüver weggenommen wurden und sowohl in die Fock wie in das Brigg Segel ein Reff genommen ward, Mittags steigerte sich der Wind zum Sturm und die See wurde sehr hoch. Gleichwohl war bis jetzt das Wasser im Raum nur unerheblich und die Pumpen schlugen immer noch bald lenz.
Am Abend des 16. Februar befand sich die Brigg auf etwa 8° östlicher Länge und 57° 15 – 20´ nördlicher Breite im Skagerak. Um nicht in die Nordsee verschlagen zu werden, und da er bei dem ungünstigen, noch immer sturmartigen Winde aus OzN Christiania nicht erreichen zu können glaubte, liess der Kapitän wenden und mit SOzS-Curs nach der jütischen Küste hinüber halten, in der Hoffnung, dass der Wind demnächst nach Süd herumgehen werde. Die Nacht über blieb der Sturm von gleicher Heftigkeit, die Brigg schlingerte stark und von Mitternacht an begann das Wasser im Raume erheblich zuzunehmen. Am 17. Februar Morgens schlugen die Pumpen nicht mehr lenz, welche von da an ohne Unterbrechung im Gange blieben. Unterdessen war starker Frost eingetreten. Das Vordeck bildete fast bis an die Regeling eine Eisfläche. Die Wanten, die Segel und alles Tauwerk waren gänzlich in Eis gehüllt.
Den ganzen Tag über blieb die Brigg so am Winde liegen, machte aber, da sie nur wenig Segel bei hatte und sich mehr und mehr mit Wasser füllte, nur wenig Fahrt. Das Loth ergab gleichmässig eine Wassertiefe von 15 bis 17 Faden; von der jütischen Küste war bei der dicken Luft und dem schneeigen Wetter nichts zu sehen. Am 17. Februar, Abends, stand der Kohlenkeller schon halb unter Wasser und man hörte die Kohlen im Raume spülen. Da es an der Westküste Jütlands keinen Hafen giebt, in welchem man hätte Schutz suchen können, so blieb nichts übrig, als das lecke Schiff dort auf den Strand zu setzen.
In der Nacht vom 17./18. Februar stieg das Wasser im Raume bis auf fünf Fuss und die Kräfte der vom Pumpen erschöpften Mannschaft gingen zur Neige. Endlich ergaben die Lothungen, dass man sich dem Lande nähere und am 18. Februar, Morgens, bald nach 2 Uhr stiess die Brigg gegenüber Graerup, unweit Varde, auf den Grund, fiel wieder in tieferes Wasser zurück, stiess dann zum zweiten Male durch, legte sich mit dem Kopfe der See zu, auf Backbord über und begann schnell zu sinken. Die Besatzung hatte kaum noch Zeit, in die Takelage des Grossmastes zu flüchten.
Als es Tag geworden, sahen die Schiffbrüchigen in etwa zwei Seemeilen Entfernung die jütische Küste. Da am Strande Niemand zu erblicken war, steckten sie ein Stück altes Segeltuch als Nothflagge aus. Das grosse Boot war bereits von Deck gespült, das kleinere hing vorne in einer Talje, war aber, weil das Vorderdeck unter Wasser stand, nicht zu erreichen. Am Nachmittage gegen 2 Uhr wurden sie endlich vom Ufer aus bemerkt und dann mit einem Boote glücklich abgeborgen. Sie konnten sämmtlich nur das nakte Leben retten; alle ihre Effekten, desgleichen die Schiffspapiere blieben auf dem gesunkenen Schiff zurück, von welchem nur ein Theil des Hecks noch aus dem Wasser hervorragte und welches am 25. Februar condemnirt, demnächst aber, nachdem nur erst ein geringer Theil des Inventars und der Ladung hatte geborgen werden können, von den Wellen zerschlagen ward. Schiffer und Mannschaft haben am 20. Februar vor dem Seegerichte zu Varde Verklarung gemacht.
- Ueber die bauliche Beschaffenheit der Brigg, deren Seetüchtigkeit während der letzten Reise und die Reparaturen, denen sie in jüngster Zeit unterzogen worden, hat die Untersuchung das Nachstehende ergeben.
- Schiffsbaumeister Zeltz zu Rostock, welcher vor 1873 die vorkommenden kleinen Reparaturen an dem Schiffe auf seiner Werfte hat ausführen lassen, will das letztere schon lange nicht mehr für seetüchtig gehalten haben, ohne indess diese seine Ansicht weiter als durch das Alter er seines Wissens niemals erneuerten Innenhölzer thatsächlich begründen zu können.
- Der Schiffer P. F. Andreis aus Dierhagen, welcher die Brigg von der Zeit ihrer Erbauung an bis zum Jahre 1870 gefahren hat zeugeneidlich ausgesagt:
Er habe dieselbe seinem Sohne, nach dessen Tode Schiffer Schwebke sie übernommen, im Jahre 1870 in gutem seetüchtigen Zustande übergeben und habe sein Sohn niemals darüber geklagt, dass sie reparaturbedürftig sei. Er selbst habe die Bring im Jahre 1867 in Lübeck zimmern und dabei das ganze Schanddeck, das Leibholz, 5 – 6 Planken an jeder Seite von oben nach unten und 5 – 6 Regelingstützen erneuern lassen.
- Der Schiffsbaumeister Jacob Stellen in Lübeck hat es bestätigt, dass er die Brigg im Jahre 1867 gekielholt und nicht nur die von Andreis angeführten Stücke erneuert, sondern auch das Schiff neu verbolzt und in allen Theilen gründlich renovirt habe. Er fügt hinzu, derzeit hätten sich die Innenhölzer meist noch sehr gut gezeigt und da das Schilt über das Alter hinweg sei, wo sich Fäulniss (Rotholm) einzustellen pflege, so seien seiner Ueberzeugung nach die Innenhölzer auch ferner gut geblieben.
- Der Schiffsbaumeister Bushell in Shields, welcher die Brigg vor Beginn ihrer letzten Reise im Dezember 1878 in seinem Trockendock gehabt und nach Anweisung des Schiffers einige Endstücke der Aussenbord-Planken durch drei seiner Leute hat dichten lassen, meint, nicht sagen zu können, dass dieselbe damals seetüchtig war.
- Von den Leuten des Schiffsbaumeisters Bushell haben die Zimmerer J. Stephenson und R. Beck angegeben:
Die Brigg sei vom 10. bis zum 13. Dezember v. J. im Trockendock gewesen und hätten sie während dieser Zeit die Plankenenden von oberhalb des Flaches bis zum Kiel am ganzen Schiffe gedichtet. Von den Nähten seien nur etwa 30 bis 40 Fuss und zwar nur zwischen der Ballastwasserlinie und dem Oberrand des Flaches kalfatert worden, während die Bodenfläche ganz ohne Reparatur geblieben sei. Die ausgebesserten Nähte seien vor der Kalfaterung in einem schlechten Zustande gewesen und sei das Kalfatereisen, nachdem ein Theil des Wergs entfernt gewesen, bis 1½ Zoll tief eingedrungen. Bei Dichtung der Nähte seien auf Wunsch des Schiffers mehrfach Stellen ausgelassen, welche gleichfalls der Reparatur bedürftig gewesen wären, weil das Werg dort bereits herausgehangen habe. Der Zimmerer G. Stephenson bezeugt dagegen, dass er seinerseits bei Ausführung der Arbeit keine Schäden bemerkt habe, deren Ausbesserung unterblieben wäre.
- Die Rechnung des Schiffsbaumeisters Bushell für die durch seine Leute beschafften Reparaturen betrug 6 £ 10 sh. 4 d.
- Der Kirchspielsvoigt N. H. Block, der Hausmann Gunde Petersen und der Strandvoigt Niels Hansen in Graerup haben zeugeneidlich deponirt:
Sie hätten die nach der Strandung der Brigg an das Land getriebenen Wrackstücke untersucht und befunden, dass dieselben grösstentheils aus morschem Holze bestanden hätten. Namentlich seien die inneren Hölzer sowie die Verplankung des Bodens und längs der Seiten in einem solchen Grade verrottet gewesen, dass man an einigen Stellen und zwar nicht an wenigen „das morsche Holz“ habe mit den Fingern abreissen können. Es komme selten vor, dass Schiffe von so schlechter Beschaffenheit strandeten.
- Der Schiffszimmermann Krenzien aus Rostock, welcher auf der Brigg zur Zeit deren Strandung bereits 20 Monate lang als solcher gefahren hatte, hat eidlich bezeugt:
- Dieselbe hätte vor ihrer letzten Reise stets nur wenig Wasser gemacht. Es sei möglich, dass die Inhölzer und namentlich die Verplankung des Bodens schon morsch gewesen seien, er habe dies aber bei den in Shields vorgenommenen Reparaturen, an denen er Theil genommen, nicht bemerkt, vielmehr die Brigg, so lange er auf derselben gefahren, stets für seetüchtig gehalten.
- Die Reparatur in Shields, welche nach dem Willen des Schiffers nur eine unbedeutende habe sein sollen, habe sich allerdings im wesentlichen auf die von den Engländern angeführten Arbeiten beschränkt, jedoch seien, wie er bestimmt wisse, auch einige Nähte der Bodenfläche kalfatert worden und soweit er sich erinnere, keine reparaturbedürftigen Stellen nachgeblieben.
- In Cuxhaven, wo die Brigg bei Elbe auf Grund gestanden, habe er dieselbe allein, und zwar vom Boote aus nach Bedarf kalfatert und sei sie denn dort auch wieder ganz dicht gewesen.
- Der Schiffer Schwebke hat versichert, sein Schiff sei bis zur letzten Reise immer verhältnissmässig dicht md noch wohl erhalten gewesen. Er habe dasselbe im Jahre 1873 in Wolgast kalfatern und gründlich dichten lassen. Damals hätten die Zimmerleute, ohne vorzubohren, gar keinen Nagel in die Inhölzer hinein bekommen können, und habe es sich dabei ergeben, dass die letzteren von ausserordentlich harter und fester Beschaffenheit gewesen seien. Er müsse es daher bestreiten, dass die in Graerup angetriebenen Inhölzer der Brigg wirklich in dem Grade verfault gewesen, wie das die dortigen Zeugen behaupten wollten. In Shields habe er die Brigg wesentlich deshalb, in das Trockendock bringen lassen, um sich von der Beschaffenheit des Schiffsbodens zu überzeugen, und es seien dort keine der Reparatur bedürftige Stellen auf seine Anordnung von derselben ausgeschieden worden. In Cuxhaven habe er eine gründliche Reparatur des eben erst in Shields nachgesehenen Schiffes im Interesse der Rheder um deswillen unterlassen zu sollen geglaubt, weil damit ein kostspieliges Entlöschen der Ladung nothwendig verbunden gewesen sein würde.
- Der Schiffsbaumeister Burchard in Rostock endlich hat auf Grund der vorstehenden Ermittelungen als Sachverständiger dahin erachtet:
Es könne zwar nicht gesagt werden, dass Schiffe von dem Alter der Brigg immer seeuntüchtig und dass die Inhölzer bei derselben nothwendig vergangen sein müssten; vielmehr befinden sich oft noch ältere Schiffe, wenn sie gut erhalten und, was die Regel bilde, mindestens alle 4 Jahre kalfatert wären, in vollkommen seetüchtigem Stande. Bei dem geringen Umfange der Reparatur in Shields indess, und da seit der letzten gründlichen Dichtung damals bereits fünf Jahre verflossen gewesen, sowie in Erwägung des bezeugten stark vergangenen Zustandes er in Graerup angetriebenen Inhölzer müsse er annehmen, dass die Brig auf ihrer letzten Reise nicht mehr seetüchtig gewesen sei.
- Erwägt man nun die vorstehenden Ergebnisse der Untersuchung, so unterliegt es zuvörderst keinem Zweifel, dass der Untergang der Brigg durch das Leckspringen und das dadurch bedingte Aufdenstrandsetzen derselben verursacht ist. Die letztere Maassregel aber kann nach Lage der Sache nur als eine vollkommen richtige anerkannt werden. Denn da trotz unablässigen Pumpens das Wasser im Raume bereits auf 5 Fuss gestiegen und es unmöglich war, mit dem lecken Fahrzeug einen Hafen zu erreichen, deren es an der Westküste Jütlands keine giebt, so blieb in der That nichts übrig, als dasselbe auf den Strand zu setzen. Auch sonst haben Schiffer und Mannschaft, nachdem einmal der Leck entstanden war, alles gethan, was irgend zur Rettung des Schiffes und der Ladung beitragen konnte und wenn dieselbe gleichwohl nicht erzielt ward, so trifft sie hieran keine Schuld.
- Einer eingehenderen Prüfung und Erörterung werden jedoch die Fragen zu unterziehen sein,
- wodurch der Leck entstanden ist und
- ob die Brigg bei Beginn der letzten Reise überall noch seetüchtig war?
Der Reichskommissar hat in der Hauptverhandlung ausgeführt, dass die Entstehungsursache des Lecks nur in der schlechten Beschaffenheit des Schiffs zu finden, auch das letztere überall gar nicht mehr seetüchtig gewesen sei, und gestützt hierauf hat er in Beihalt der Bestimmung in Artikel 30 des Handelsgesetzbuches, welche den Schiffer verpflichtete, vor Antritt der Reise dafür zu sorgen, dass sich das Schiff in seetüchtigem Stande befinde, beantragt, dem letzteren die Befugniss zur ferneren Ausübung des Schiffergewerbes zu entziehen.
Ad A kann nun freilich nicht behauptet werden, dass der Leck ausschliesslich dem vernachlässigten Reparaturzustande der Brigg beizumessen ist. Vielmehr wird, der dieselbe bis zu ihrer letzten Reise verhältnissmässig dicht gewesen war, anzunehmen sein, dass noch andere Umstände hinzugetreten sind, welche, wenn sie den Leck nicht allein herbeiführten, doch wesentlich zu dessen Entstehung und Erweiterung mitgewirkt haben; wenn man hat es vielfach bei noch ganz neuen und übrigens bestens unterhaltenen Schiffen, dass sie plötzlich leck springen, sei es, weil ein Bolzen lose geworden, sei es, weil sich beim starken Schlingern eine Naht gelöst. Die Brigg aber hatte auf ihrer letzten Reise, sowohl von Shields bis Cuxhaven, als auch von dort bis zur Strandung anhaltend mit Sturm und hoher See zu kämpfen, und da ist es sehr wohl möglich, dass sich gerade hierdurch einige Nähte übermässig gelockert und allmälig zum Leck erweitert haben. Das wird jedoch unter allen Umständen zugestanden werden müssen, dass ein schlechterhaltenes, in der Reparatur vernachlässigtes Schiff, zumal wenn es bereits ein hohes Alter erreicht hat, der Gefahr des Leckspringens in erhöhtem Grade ausgesetzt ist, und so ist dem im vorliegenden Falle die Annahme, dass die mangelhafte Dichtung der Brigg in erster Linie zum Leckspringen derselben beitrug, allerdings eine vollkommen berechtigte.
Wie der Schiffsbaumeister Burchard in seinen Gutachten zutreffend dargelegt hat, müssen Schiffe, wenn sie dicht und im Stande sein sollen, den Angriffen der See zu trotzen, regelmässig alle vier Jahre kalfatert werden. Die Brigg aber war, wie der Schiffer Schwebke selbst eingeräumt hat, zuletzt im Jahre 1873 einer durchgreifenden Dichtung unterworfen worden, und die im Dezember v. J. zu Shields im Trockendock des Schiffsbaumeisters Bushell beschafften kleinen Reparaturen waren jedenfalls von ganz geringem Umfange, was schon daraus erhellt, dass einschliesslich des Zimmermanns Krenzien nur vier Mann während dreier Tage dabei beschäftigt gewesen sind und seiner eigenen Angabe nach der Schiffer dieselben hauptsächlich deshalb angeordnet hatte, um sich von der Beschaffenheit des Schiffsbodens zu überzeugen. Die von Krenzien allein in Cuxhaven ausgeführte theilweise Ausbesserung des Schiffes aber ist von dem letzteren selbst als eine unbedeutende, der Hauptsache nach auf eine Abdichtung der Ladepforte am Bug Beschränkt gebliebene bezeichnet worden.
Ad B ist für die verneinende Beantwortung der Frage, ob die Brigg bei Antritt ihrer letzten Reise überall noch seetüchtig gewesen ist, von dem Reichskommissarius
- auf den von den Graeruper Zeugen bekundeten stark verrotteten Zustand der angetriebenen Schiffstrümmer und
- auf die erachtlichen Aeusserungen der Schiffsbaumeister Bushell in Shields und Zeltz und Burchard in Rostock Bezug genommen.
Das Seeamt vermag indess zunächst den Angaben der Graeruper Zeugen kein derartiges Gewicht beizulegen, um aus ihnen den Schluss als gerechtfertigt gelten zu lassen, dass gesammte Innenhölzer oder doch wenigstens der grössere Theil derselben verfault und mithin die Brigg seeuntüchtig gewesen sei. Denn jene Zeugen sagen ausdrücklich, dass nur einige Stücke des Wracks an das Land getrieben und weiter, dass von diesen einige von besserer Beschaffenheit gewesen seien. Daraus folgt, dass bei weitem nicht alle, sondern nur wenige Wrackstücke der gestrandeten Brigg überhaupt angespült sind und da sich unter denselben das Heck befunden hat, so ist die Annahme berechtigt, dass die mehr oder weniger morschen Hölzer, von welchen die Zeugen reden, dem hinteren Schiffstheile angehört haben.
Nun ist es aber bekannt, dass grade am Heck die Innenhölzer am leichstesten faulen, ja selbst bei noch neuen Schiffen oft schon nach einigen Jahren vergangen sind, und in dieser Erwägung wird man es als unzulässig bezeichnen müssen, von den in Graerup angetriebenen wenigen Stücken auf die Beschaffenheit des ganzen Schiffes und gar auf die Seeuntüchtigkeit desselben zu schliessen. Was sodann die gutachtlichen Aeusserungen der sub 2 supra genannten Schiffsbaumeister betrifft, welche sämmtlich der Brigg die Seetüchtigkeit abgesprochen haben, so sind diejenigen von Bushell und Zeltz, ganz abgesehen von der Differenz, in welche Schiffer Schwebke mit ersterem über die Höhe der Kostenrechnung desselben gerathen sein will, schon deshalb weniger beachtlich, weil beide die von ihnen behauptete Seeuntüchtigkeit der Brigg nicht weiter begründet haben. Dem Erachten des Schiffsbaumeisters Burchard aber, welches sich, da dieser Sachverständige die Brigg selbst gar nicht gesehen hat, lediglich auf die zu seiner Kenntniss gebrachten Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung stützt, kann eben aus letzterem Grunde eine entscheidende Bedeutung nicht beigemessen werden.
- Hat demnach das Seeamt sich zwar der Ansicht des Reichskommissars, dass die Brigg sich bei Antritt ihrer letzten Reise nicht mehr in seetüchtigem Stande befunden habe, nicht unbedingt anschliessen können, ihm aber darin beipflichten müssen, dass auf die laufende Erhaltung und Dichtung derselben nicht diejenige Sorgfalt verwendet worden ist, welche, zumal bei ihrem hohen Alter durchaus erforderlich war und deren Unterlassung wesentlich zum Leckspringen des Schiffes beigetragen hat, so wird nunmehr weiter zu untersuchen sein, ob die Pflichtwidrigkeit, welcher sich der Schiffer Schwebke in letzterer Beziehung schuldig machte, eine so schwere ist, dass es gerechtfertigt erscheinen kann, ihm, wie vom Reichskommissar beantragt worden, die Befugniss zur Ausübung des Schiffergewerbes zu entziehen.
In dieser Beziehung kommt nun zunächst als gravirend in Betracht, dass Schiffer Schwebke es weit über die zulässige Zeit hinaus unterliess, sein Schiff einer gründlichen Dichtung zu unterziehen und sich hierzu auch in Cuxhaven nicht bewogen fand, obwohl die Brigg bereits auf der Reise von Shields bis dahin erheblich Wasser gezogen hatte und die Befürchtung nahe lag, sie könne, wenngleich im ruhigen Wasser wieder dicht geworden, bei Fortsetzung der Reise auf bewegter See in erhöhtem Grade leck werden und sinken, eine Befürchtung, welche einen vorsichtigen Schiffer unzweifelhaft bewogen haben würde, dort die Ladung zu entlöschen und das Schiff sorgfältig zu dichten, ehe er mit demselben wieder in Fahrt ging.
Andererseits aber ist mildernd zu berücksichtigen, dass die Brigg bis zu ihrer letzten Reise immer verhältnismässig dicht gewesen war, dass sowohl der Schiffer wie der Zimmermann Krenzien sie noch für vollkommen seetüchtig hielten, als sie Shields verliessen und endlich, dass die derzeitige traurige Lage der Schiffahrt jedem Schiffer die Pflicht auferlegt, im Interesse seiner Rheder alle nicht unumgänglich nothwendigen Ausgaben zu vermeiden, die Kosten einer Entlöschung der Ladung und einer denmächstigen umfassenden Zimmerung in Cuxhaven aber jedenfalls beträchtlich gewesen sein würden. Verkennt gleichwohl das Seeamt nicht, dass die eben erwähnten Gründe keineswegs geeignet sind, den Schiffer von jeder Verschuldung zu befreien, so werden dieselben immerhin dessen Handlungsweise in einem milderen Lichte erscheinen lassen und die Anwendlichkeit der Bestimmungen in § 26 des Reichsgesetzes, betreffend die Untersuchung von Seeunfällen, vom 27. Juli 1877 um so mehr ausschliessen, als durch nichts indicirt ist, dass wenn Schiffer Schwebke, anscheinend aus zu grosser Sparsamkeit, durchaus nothwendige Reparaturen an seinem Schiffe unterlassen und dadurch den Unfall, welcher dasselbe betroffen, mit verschuldet hat, dies in Folge des Mangels solcher Eigenschaften geschehen ist, welche zur Ausübung des Schiffergewerbes erforderlich sind, und fehlt somit die Voraussetzung, an welche das genannte Reichsgesetz die Patententziehung knüpft.
Das Seeamt hat daher den auf letztere gerichteten Antrag des Reichskommissars ablehnen zu wollen geglaubt, dagegen in seinem Spruche die Verschuldung des Kapitäns rügend hervorgehoben, welche es damit für hinreichend geahndet hält.
Entscheidung
Auf die Beschwerde des Reichskommissars gegen den Spruch des Grossherzoglich mecklenburg-schwerinschen Seeamts vom 8. November 1879 über den Seeunfall der Brigg „Der alte Peter“ von Rostock hat das Kaiserliche Ober-Seeamt in seiner zu Berlin am 10. Januar 1880 abgehaltenen öffentlichen Sitzung nach mündlicher Verhandlung der Sache entschieden, dass der Spruch des Grossherzoglich mecklenburg-schwerinschen Seeamts vom 8. November 1879 zu bestätigen und die baaren Auslagen des Verfahrens ausser Ansatz zu lassen.
Gründe.
Das Seeamt hat seinen Spruch dahin abgegeben:
- Der Seeunfall ist durch einen schweren Leck verursacht, welcher die Besatzung zwang, die Brigg auf den Strand zu setzen.
- Die Entstehung des Lecks ist zum Theil der mangelhaften Instandhaltung der schon alten Brigg zuzuschreiben, und hat demnach der Führer derselben, Schiffer F. Schwebke aus Dierhagen, den Unfall mitverschuldet.
- Der gegen den Schiffer Schwebke gerichtete Antrag des Reichskommissars auf Patententziehung wird abgelehnt.
Den gegen diesen Spruch gerichteten Ausführungen der Beschwerde ist nur zum Theil beizutreten.
- Soweit dieselben darzuthun bezwecken, dass „Der alte Peter“, als ihn der Seeunfall traf, seeuntüchtig gewesen ist, sind sie als begründet anzuerkennen.
- Die Aussagen der in erster Instanz vernommenen Schiffsbaumeister erklären dies Schiff übereinstimmend für seeuntüchtig. Der Schiffsbaumeister Zeltz in Rostock giebt an, dass er an demselben 20 Jahre lang die vorgekommenen kleinen Reparaturen auf seiner Werft habe besorgen lassen, dass dabei niemals die Innenhölzer sondern nur einige Planken erneuert worden, dass das Schiff seines Wissens nie einer durchgreifenden Reparatur unterzogen sei, und dass er in Folge dessen dasselbe schon seit Jahren für seeuntüchtig habe halten müssen.
Der Schiffsbaumeister Bushell in Shields bekundet, dass er das Schiff vor Antritt seiner letzten Reise besichtigt und nicht seetüchtig befunden habe, dass aber dasselbe dem vom Schiffer Schwebke ausgesprochenen Verlangen gemäss nur an einigen Stellen damals gedichtet worden sei.
Der Schiffsbaumeister Burchard in Rostock, welcher das Schiff nicht selbst gesehen hat, folgert aus dem, was die in erster Instanz vernommenen Zeugen über die Beschaffenheit desselben ausgesagt haben, dass es auf der letzten Reise nicht mehr seetüchtig gewesen sei.
Das Seeamt spricht den Aussagen der Schiffsbaumeister Zeltz und Bushell deshalb die Beweiskraft ab, weil beide die von ihnen behauptete Seeuntüchtigkeit nicht weiter begründet hätten. Die Begründung, welche Zeltz seinem Gutachten gegeben hat, erscheint indessen ausreichend; denn wenn in einem Zeitraum von 20 Jahren an einem Schiffe immer nur so geringfügige Ausbesserungen vorgenommen werden, dass sie der mit der Ausführung betraute Techniker für unzureichend erachten muss, so tritt nach der Natur der Dinge die unausbleibliche Folge ein, dass die Seetüchtigkeit des Schiffes bei einer solchen Vernachlässigung allmälig verloren geht. Der Ausspruch von Bushell aber findet seine Begründung in der von ihm überreichten und seitens des Schiffers Schwebke hinsichtlich ihrer Echtheit anerkannten Rechnung über die Reparaturen, welche er an dem Schiffe ausgeführt hat, und deren Gesamtkosten nicht mehr als 6 £ 10 sh. 1 d. betragen haben.
Als Bushell das Schiff besichtigte, war es 39 Jahre lang zur Seefahrt benutzt und niemals einer gründlichen Reparatur unterzogen worden; in Folge dessen musste es nach dem natürlichen Verlauf der Dinge damals einer solchen bedürfen, um als seetüchtig zu gelten; wenn gleichwohl der Schiffer nur diejenigen Arbeiten daran vornehmen liess, welche sich mit dem erwähnten geringen Kosten betrage bestreiten liessen, so hatte Bushell allen Grund, dem Schiffe die Seetüchtigkeit abzusprechen. Nun hat zwar der Schiffer die Glaubhaftigkeit der Aussage von Bushell angefochten, weil er mit demselben über den Betrag der Rechnung in Streit gerathen sei. Da er jedoch denselben schliesslich ohne Abzug bezahlt hat, so fehlt es an jedem ersichtlichen Anlass zu der Annahme, dass Bushell sich durch diesen Zwischenfall habe bestimmen lassen können, wider besseres Wissen seine Aussage zum Nachtheil des Schiffers einzurichten. Nicht minder hinfällig ist der in zweiter Instanz gegen die Zuverlässigkeit der Angaben von Zeltz vorgebrachte Einwand, dass dieser in Konkurs gerathen sei, da durch den letzteren nach der Strafprozessordnung die Zeugnissfähigkeit des Gemeinschuldners nicht beeinträchtigt wird. Dem Gutachten des Schiffsbaumeisters Burchard endlich glaubt das Seeamt eine entscheidende Bedeutung deshalb nicht beimessen zu sollen, weil Burchard das Schiff selbst nicht gesehen, sondern sein Gutachten lediglich auf die zu seiner Kenntniss gebrachten Ergebnisse der Untersuchung gestützt habe. Diese Erwägung ist nicht geeignet, die Beweiskraft des gedachten Gutachtens abzuschwächen; denn es sind in erster Instanz 12 Personen vernommen worden, welche das Schiff theils vor, theils nach der Strandung gesehen haben; deren Aussagen haben ein Material für die Beurtheilung der Seetüchtigkeit des Schiffs geliefert, welches völlig ausreichend erscheint, um einen Sachverständigen, der das Schiff nicht aus eigener Anschauung kannte, zur Begutachtung der Seetüchtigkeit in den Stand zu setzen.
Das übereinstimmende Urtheil der genannten Schiffsbaumeister wird auch dadurch nicht entkräftet, dass andere Personen, von welchen in erster Instanz Auskunft über die Beschaffenheit des Schiffs eingeholt worden ist, dasselbe nicht für seeuntüchtig erachtet haben. Die vom Schiffsbaumeister Steffen in Lübeck über eine im Jahre 1867 an dem Schiffe vorgenommene Reparatur er theilte schriftliche Bescheinigung erscheint schon ihrer Form nach nicht als beweiskräftig; aber auch ihrem Inhalt nach ist sie für die Entscheidung der vorliegenden Frage gänzlich ohne Belang, weil sie über den Zustand des Schiffs nach dem Jahre 1867 keine Nachricht giebt, und aus dem Umstande, dass „Der alte Peter“ 1867 seetüchtig war, nicht gefolgert werden kann, dass er noch im letzten Jahre seiner Existenz seetüchtig gewesen ist.
Eben so wenig ist das Zeugniss des Schiffers Andreis in Dierhagen von Erheblichkeit, denn dieser bekundet nur, dass er das genannte Schiff 1870 in seetüchtigem Zustande an seinen Sohn abgetreten und dass letzterer während seiner etwa 2½ jährigen Besitzzeit niemals über Reparaturbedürftigkeit des Schiffs geklagt hat; für die Zeit vom Jahre 1873 ab beweist also auch dieses Zeugniss nichts.
Dass der Steuermann Steenbock das Schiff für seetüchtig gehalten hat, kann aus dem Grunde nicht in Betracht kommen, weil er gar keine Gelegenheit gehabt hat, sich von der Seetüchtigkeit Ueberzeugung zu verschaffen; denn er ist erst im Februar 1879 auf „Dem alten Peter“ in Dienst getreten, als derselbe beladen bei Cuxhaven lag, und schon am 18. Februar 1879 ist das Schiff gestrandet, nachdem es am 14. In See gegangen war.
Mehr Gelegenheit, dasselbe zu beobachten, hat der Zimmermann Krenzien gehabt, denn er hat fast zwei Jahre mit diesem Schiffe gefahren; seine Behauptung aber, dass er „Den alten Peter“ für seetüchtig gehalten habe, erscheint in einem zweifelhaften Lichte, da er bei seiner Schlussvernehmung in erster Instanz nach Vorhaltung der entgegenstehenden sonstigen Aussagen erklärt hat, es sei möglich, dass die Inhölzer und namentlich die Verplankung des Bodens des Schiffs schon morsch gewesen seien.
Aus dem Umstande, dass „Der alte Peter“ bei dem Seeversicherungsverein in Rostock taxirt und versichert gewesen, ist für seine Seetüchtigkeit nichts zu folgern; denn der Bevollmächtigte dieses Vereins, Kaufmann Holtzschue, hat vor dem Seeamt bekundet, dass die Schätzung des Werths der vom Verein zur Versicherung zugelassenen Schiffe grösstentheils ohne Besichtigung derselben erfolgt. Es fehlt hiernach jeder Anlass, die erwähnte übereinstimmende Erklärung der Schiffsbaumeister Zeltz, Bushell und Burchard, dass „Der alte Peter“ seeuntüchtig gewesen, für unbegründet zu erachten.
- Den Ausführungen des Seeamts ist darin vollständig beizutreten, dass jedenfalls seit dem Jahre 1873 nur ganz mangelhafte und unzureichende Reparaturen an dem Schiffe vorgenommen worden sind, während dasselbe, um vor Seeuntüchtigkeit bewahrt zu bleiben, mindestens alle vier Jahre gründlich hätte ausgebessert werden müssen. Diese Vernachlässigung musste dazu führen, dass „Der alte Peter“ schliesslich ausser Stande war, den Einwirkungen stürmischer Witterung irgend welchen Widerstand zu leisten.
- Der Kirchspielvogt Block, der Hausmann Petersen und der Strandvogt Hansen in Graerup haben ausgesagt: als „Der alte Peter“ etwa 14 Tage nach der Strandung von der See in Stücke zerschlagen worden, seien innerhalb 24 Stunden einige Wrackstücke an das Land getrieben, darunter das Hinterdeck und das Heck mit dem darauf gemalten Namen des Schiffs; diese Wrackstücke, welche von ihnen untersucht worden, hätten zum grössten Theil aus morschem Holz bestanden; namentlich seien die Spanten und die Verplankung des Bodens und längs der Seiten in solchem Grade verrottet gewesen, dass man an nicht wenigen Stellen das morsche Holz mit dem Finger habe losreissen können; ein anderes Wrack sei zu jener Zeit am Strande nicht vorhanden gewesen. Das Seeamt entnimmt hieraus, dass nur wenige Stücke vom Wrack „Des alten Peter“ an den Strand gespült seien, und gelangt, da sich unter denselben das Heck befunden, zu der Annahme, dass die morschen Hölzer, von denen die Zeugen reden, den hinteren Schiffstheile angehört haben; in dem es weiter ausführt, dass am Heck die Inhölzer am leichtesten faulen und selbst bei noch neuen Schiffen oft schon nach einigen Jahren vergehen, gelangt es zu dem Ergebniss, dass man nicht annehmen könne, der grössere Theil der Inhölzer sei verfault und mithin „Der alte Peter“ seeuntüchtig gewesen.
Mit Recht stellt das Seeamt fest, dass das Heck derjenige Theil eines Schiffes ist, an welchem das Holzmaterial am leichtesten dem Verderben ausgesetzt ist; aber es geht zu weit, wenn es annimmt, dass eine Schadhaftigkeit des Hecks auf die Seetüchtigkeit des Schiffs nicht von Einfluss sei. Gerade weil das Holz am Heck der Fäulniss besonders leicht zugänglich ist, kann die letztere, wenn sie unbeachtet bleibt, eine Ausdehnung gewinnen, welche die Existenz des Schiffs unmittelbar gefährdet. Ist aber das Holz am Heck in dem Maasse verrottet, dass man, wie es die genannten Zeugen an den Ueberresten „Des alten Peters“ gethan haben, dasselbe mit den Fingern losreissen kann, dann ist das Schiff bei jeder einigermaassen starken Bewegung, in welche es durch die See versetzt wird, der Gefahr Preis gegeben, einen Leck zu bekommen, welcher sich nicht bewältigen lässt, und ein solches Schiff ist unter allen Umständen als ein seeuntüchtiges zu bezeichnen.
- Das Journal „Des alten Peters“ ist bei der Strandung verloren gegangen; in Folge dessen ist es nicht möglich gewesen, zu ermitteln, welche Ereignisse ihn vor seiner letzten Ankunft in Shields betroffen haben. Von hier aus ist er, wie das Seeamt festgestellt hat, am 18. Dezember 1878 in See gegangen, alsbald leck geworden und dadurch genöthigt worden, am 24. Dezember 1878 Cuxhaven anzulaufen, und als er kaum den letzteren Ort verlassen hatte, ist er wiederum in solchem Grade leck geworden, dass er auf den Strand gesetzt werden musste. Diese Vorgänge offenbaren eine solche Gebrechlichkeit des Schiffs, dass ein begründeter Zweifel an seiner Seeuntüchtigkeit nicht obwalten kann.
- Zur Begründung der Beschwerde wäre aber ausser der Feststellung der Seeuntüchtigkeit „Des alten Peters“ der Nachweis erforderlich gewesen, dass der Schiller Schwebke die Seeuntüchtigkeit gekannt hat, oder dass er sie bei Anwendung gehöriger Sorgfalt hätte kennen müssen. Dieser Nachweis ist nicht gelungen. Er würde vielleicht zu erbringen gewesen sein, wenn das Journal „Des alten Peters“ nicht verloren gegangen wäre; da dies Beweismittel fehlt, so konnten für die Beurtheilung, ob der Schiffer jene Kenntniss gehabt habe, nur diejenigen Thatsachen in Betracht kommen, welche sich nach dem Eintreffen „Des alten Peter“ im Dock von Bushell zu Shields zugetragen haben.
- Die Beschwerde greift etwas weiter in die Vergangenheit zurück, in dem sie aus dem Umstande, dass Schwebke das Schiff in einem Zeitraum von mehr als 4 Jahren nicht hat gründlich nachsehen lassen, den Schluss zieht, dass er die Seeuntüchtigkeit „Des alten Peter“ verschuldet habe. Richtig ist, dass er sie dadurch objektiv verschuldet hat; hieraus folgt aber nicht, dass er nach vierjährigem Besitz des Schiffs zu der Einsicht gelangt ist, dasselbe bedürfe zur Erhaltung der Seetüchtigkeit einer gründlichen Reparatur. Nach seiner Angabe hat er vor der letzten Reise nie einen Seeunfall erlebt. Ist dies richtig, so muss zugegeben werden, dass in ihm der Glaube entstehen konnte, er werde mit Hülfe geringfügiger Reparaturen sein von der Seefahrt wenig mitgenommenes Schiff noch länger in Stand zu halten vermögen.
- Unter dieser Voraussetzung lässt sich nicht mit solcher Bestimmtheit, wie es die Beschwerde thut, aus dem geringen Umfange der in Cuxhaven an „Dem alten Peter“ vorgenommenen Reparaturen der Schluss ziehen, dass der Schiller habe voraussehen müssen, das Schiff werde nach der Abfahrt von Cuxhaven bei dem ersten Sturme wieder lock springen. Durch das Zeugniss des Steuermanns Steenbock und des Zimmermans Krenzien ist festgestellt, dass „Der alte Peter“ in der ganzen Zeit, während welcher er nach jener Reparatur bei Cuxhaven lag, kein Wasser gemacht hat, und so ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass der Schiffer der Meinung gewesen ist, durch diese Ausbesserung der Undichtigkeit des Schiffs zur Genüge abgeholfen zu haben.
- Zur Entschuldigung kann dem Schiffer, wie die Beschwerde zutreffend ausführt, die Erwägung des Seeamt nicht gereichen, dass die derzeitige traurige Lage der Schiffahrt jedem Schiffer die Pflicht auferlege, im Interesse seiner Rheder alle nicht umumgänglich nothwendigen Ausgaben zu vermeiden. Sparsamkeit in den Ausgaben für nothwendige Schiffsreparaturen ist eine Handlungsweise, welche durch nicht entschuldigt werden kann; denn sie setzt das Leben der Schiffsbesatzung, das Schiff und seine Ladung Gefahren aus, welchen gegenüber der ersparte Geldbetrag von versschwindender Bedeutung ist. Eine solche Sparsamkeit würde mit der durch das Handelsgesetzbuch Art. 480 dem Schiffer auferlegten Pflicht, dafür zu sorgen, dass das Schiff in seetüchtigem Stande ist, durchaus unvereinbar sein. Im vorliegenden Falle ist über die bei den Reparaturen „Des alten Peter“ beobachtete Sparsamkeit lediglich deshalb, hinwegzusehen, weil nicht hat erwiesen werden können, dass der Schiffer Schwebke von der Nothwendigkeit umfassenderer Reparaturen überzeugt gewesen sei und gleich wohl dieselben unterlassen habe.
Kann hiernach nicht als festgestellt angenommen werden, dass der Schiffer Schwebke den seeuntüchtigen Zustand „Des alten Peter“ gekannt hat oder dass er durch ein vor der letzten Reise eingetretenes Ereigniss auf denselben aufmerksam gemacht sein musste, so fällt damit die Behauptung der Beschwerde, dass er unvorsichtig, sorglos und verwegen gehandelt habe, als er die letzte Reise unternahm. Unter diesen Umständen ist nicht erwiesen, dass er den Untergang „Des alten Peter“ in Folge des Mangels solcher Eigenschaften, welche zur Ausübung des Schiffergewerbes erforderlich sind, verschuldet hat; es kann ihm mithin auf Grund des Reichsgesetzes vom 27. Juli 1877 § 26 die Befugniss zur Ausübung dieses Gewerbes nicht entzogen werden.
Hieraus ergiebt sich die Bestätigung des angefochtenen Spruches. Die baaren Auslagen des Verfahrens bleiben ausser Ansatz, weil die Beschwerde vom Reichskommissar eingelegt ist.