Seeunfall der Schooner „Paul Grampp"
Spruch des Seeamts zu Rostock vom 7. December 1880, betreffend den Seeunfall der Brigg „Balance“ von Rostock.
Schiff durch anhaltenden Sturm seeuntüchtig geworden und an der Westküste von Schleswig auf den Strand gesetzt.
Der Spruch des Seeamts lautet:
dass weder Schiffer noch Steuerman durch Handlungen oder Unterlassungen den Unfall oder dessen Folgen verschuldet, auch nicht Mängel in der Bauart, Beschaffenheit, Ausrüstung, Beladung oder Bemannung des Schiffes den Unfall herbei geführt haben.
Gründe.
Es ist durch die vor dem Königlichen Amtsgericht zu Tinnum abgelegte Verklarung und die vor dem Seeamt statt gehabte Verhandlung festgestellt, dass die Brigg „Balance“, Unterscheidungssignal MBTV, Eigenthum des Schiffers Frädlandt, auf einer Reise von Gefle nach Grimsby begriffen, am 6. September 1880 von Gefle abgegangen, schon in der Ostsee von schlechtem Wetter befallen ist und einen unbedeutenden Leck erhalten hat, im Kattegat abermals einen heftigen Sturm zu bestehen hatte, der den Schiffer zwang nach Helsingör zurückzugehen. Nachdem das Schiff in Helsingör wieder in Stand gesetzt, wurde am 28. die Reise fortgesetzt und am 29. Skagen passirt, als der Wind wieder sturmartig auftrat, jedoch die Fortsetzung der Reise und Innehaltung des Curses noch zuliess, zumal das Wetter im Laufe des Tages besser ward. Im 30. war Morgens frischer NNO Wind, der Mittags auf WNW umsprang und gegen 1 Uhr wieder in einen Sturm aus NO überging. Mit dichtgerefften Segeln und fester Decksladung ging die Reise vorwärts, doch flog gegen 5 Uhr das Vorstengestagsegel fort, das Schiff arbeitete hart und musste drei Stunden gepumpt werden, um das Schiff lens zu halten. Am 31. wüthete ein NO Sturm mit dicken Schneegestöber, so dass das Schiff viel Wasser machte, doch gelang es nach vierstündigem Pumpen mit der Sturmpumpe lens zu bekommen, das Schiff machte wieder Wasser, wurde jedoch bei abnehmenden Winde wieder lens gepumpt.
Abends 8 Uhr, nachdem der Wind still geworden und nach WSW umgangen, wurden gereffte Obermarssegel, Fock und Klüver beigesetzt, die gegen 10 Uhr, als der Wind zunahm und in einen Orkan ausartete, nicht neu festzumachen waren. Der Wind sprang wieder nach NO um, es war kein Segel mehr zu rühren, die Fockraa brach, kein Segel war trotz aller Anstrengung zu bergen möglich, die Bramsegel unter den Raaen wehten weg, die Fock flog aus den Lieken, Gaffel und Briggsegel peitschten in den Geitauen weg, und steuerte der Schiffer, um Schiff und Ladung möglicherweise zu retten, nach Norwegen zu; da der Wind jedoch wieder nach Norden ging und das Schiff zum Kentern lag, versuchte derselbe Cuxhaven zu erreichen. Mittlerweile war die aus Brettern bestehende Decklast losgekommen, die Bretter wuschen von vorne nach hinten, so dass die Mannschaft sich kaum auf Deck halten konnte, im Schiff waren 3 Fuss Wasser, doch war nicht zu den Pumpen zu kommen wegen der losen Bretter und der schiefen Lage des Schiffes; da die Mannschaft ermüdete, versuchte der Schiffer Jütland zu erreichen. Gegen 5 Uhr kam die Deckslast über Bord; es hatte jedoch das Wasser im Schiff bedeutend zugenommen, um 11 Uhr waren 8 Fuss Wasser im Schiff und dasselbe manövrirunfähig, so dass, da das Feuer von Sylt in Sicht war, durch Schiffsrath beschlossen wurde, das Schiff auf den Strand zu setzen. Morgens 6½ Uhr kam das Schiff auf den Grund, und gelang es der Mannschaft, sich zu retten, während das Schiff nach wenig Tagen völlig zerschellte.
Das Schiff war zu 9.000 M versichert, ohne Classe, jedoch in gutem seetüchtigen Zustande. Der Unfall ist hiernach zweifelhaft, durch die orkanartigen fortwährend umspringenden Winde herbei geführt, und ist seitens des Schiffers und der Mannschaft alles, was in ihren Kräften stand, zur Rettung des Schiffes und Vermeidung des Unfalls geschehen; es war ihnen der heftigen stets umspringenden Winde wegen jedoch nicht möglich, die Segel zu retten und blieb ihnen, nachdem das Schiff manöverirunfähig geworden, nichts übrig, als das Schiff auf den Strand zu setzen. Hiernach trifft den Schiffer oder Steuermann kein Verschulden an dem Unfall, und musste also der Spruch, wie er abgegeben, lauten.