Arnold von Bippen | Vereinigung der Kapitäne und Schiffsführer des Fischlandes

Seeunfall der Bark „Arnold von Bippen"



  1. Auf Grund der stattgehabten Hauptverhandlung, in welcher der frühere Schiffskoch, jetzige Portier C. Haase hierselbst als Zeuge vernommen ist, und an Schriftstücken zur Verlesung gebracht sind:

    1. eine schriftliche Mittheilung des Correspondentrheders vom 4. October 1890,

    2. eine desgleichen vom 9. Februar 1891,

    3. ein Schreiben des Board of Trade zu London an das Seeamt vom 1. April 1891 mit Anlage,

    4. ein Bericht des deutschen General-Consulats zu London an den Reichskanzler vom 28. April 1891 nebst einem demselben angeschlossenen Schreiben des deutschen Consulats zu Grangemouth vom 23. desselben Monats,

    5. ein Schreiben des Board of Trade zu London an das Seeamt vom 10. Juni 1891 und ein demselben anliegender Auszug aus dem Schiffsjournal des in Goole beheimatheten englischen Dampfers „Ouse",

    6. ein Schreiben des deutschen Consulats zu Capstadt an das Seeamt vom 8. Juli 1891,

    7. eine in Sachen, betreffend die Collision des Dampfers „Ouse" mit einem fremden Fahrzeuge, vor der Handelskammer zu Hull am 8. und 9. September 1891 stattgehabte Verhandlung,

    8. eine schriftliche Mittheilung des Correspondentrheders an das Seeamt vom 21. September 1891,

    9. die Belagstüde über einen vom Seeamt unter dem 10. October 1891 erlassenen öffentlichen Aufruf,

    10. ein Erkenntniß des Admiralitätsgerichts zu London vom 20. Juni 1892 in Sachen der Rhederei der Bark „Arnold von Bippen", Klägerin, wider die Rhederei des Dampfers „Ouse", Beklagte, wegen Schadenersatzes, ist Nachstehendes thatsächlich festgestellt worden:



    1. Am 30. September 1890 verließ die in Rostock beheimathete, vom Schiffer August Konow aus Wustrow geführte Bark „Arnold von Bippen", Unterscheidungs-Signal MDGB, ein im Jahre 1877 in Rostock aus Eichenholz erbautes, zu 1262,9 cbm.=446 britischen Register-Tons Netto-Raumgehalt vermessenes Schiff, Grangemouth mit einer nach Capstadt bestimmten Ladung Kohlen. Wie der deutsche Consul in Grangemouth bestätigt hat, befand sie sich zur Zeit ihres Fortganges von dort in einem sehr guten Zustande, und bestanden die ihre Ladung bildenden Kohlen aus Bent-Hartley-Ell-Kohlen, einer nicht zur Selbstentzündung neigenden Sorte. Zu ihrer Besatzung gehörten außer dem schon genannten Schiffer die folgenden 11 Personen:

      • der Steuermann Hans Voß aus Wustrow i/M.,

      • der Koch Christian Schütt aus Born a/D.,

      • der Zimmermann Carl August Pankow aus Wolgast,

      • der Bootsmann Johann Carl Wilhelm Bruß aus Bartelshagen,

      • der Matrose Heinrich Stephan Martin Emil Ramm aus Warnemünde,

      • der Matrose Albert Friedrich Heinrich Theodor Weißhahn aus Rostock,

      • der Matrose August Meßner aus Stralsund,

      • der Matrose Wilhelm August Carl Friedrich Heinrich Pralow aus Rostock,

      • der Jungmann Adolph Paul Beßler aus Leipzig,

      • der Jungmann Carl August Konow aus Wustrow i/M.,

      • der Junge Wilhelm Carl Emil Keese aus Rostock.

    2. Am 13. October 1890 ward von dem Schiffer J. W. White, Führer des zu Ramsgate beheimatheten englischen Fischerkutters „Souvenir" in der Nordsee etwa 22 Seemeilen NNW von Schouwen-Island-Feuer (an der niederländischen Küste) unter vielen dort im Wasser treibenden Schiffstrümmern ein mit „Arnold von Bippen" beschriebenes Namensbrett aufgefunden, neben welchem ein alter Eimer Schwamm. Er hat das Namensbrett mitgenommen und an den Receiver of Wreck in Ramsgate abgeliefert.


    3. Die Hamburgische Börsenhalle vom 8. October 1890 (No. 470) brachte in ihrer Beilage unter der Rubrik „Seeunfälle" folgende Notiz: „Hull, 6. October. Der englische Dampfer „Ouse" von Antwerpen, war gestern Abend 30 Seemeilen von Lowestoft mit einer unbekannten, beladenen Bark in Collision. Die Bark sank innerhalb 10 Minuten, wie man meint, mit der ganzen Besatzung; der Dampfer ist anscheinend unbeschädigt geblieben." Diese Notiz bezog sich, wie dem Seeamte auf dessen Anfrage am 1. April 1891 vom Board of Trade in London mitgetheilt ward, auf den in Goole beheimatheten, der Goole Steam-Ship Co. Limited daselbst gehörenden, aus Stahl erbauten und zu 432 britischen Register Tons vermessenen Dampfer „Ouse", Schiffer E. D. Redford, welcher nach jener Mittheilung am 5. October 1890 mit einem unbekannten Fahrzeuge in Collision gewesen sein sollte.

    4. Da von der Bark „Arnold von Bippen" und deren Besatzung inzwischen keinerlei Nachrichten eingetroffen waren, und es mit Rücksicht auf das unter B erwähnte Auffinden des Namensbrettes als sehr möglich erschien, daß das von dem Dampfer „Ouse" angerannte und zum Sinken gebrachte Fahrzeug die Bark gewesen sein könne, so erbat das Seeamt vom Board of Trade die Mittheilung der Ergebnisse einer etwa in England über den beregten Collisionsfall eingeleiteten Untersuchung. Seitens des Board of Trade ward hierauf erwidert, daß wegen der Collision des „Ouse" eine Untersuchung eingeleitet sei und am 8. September 1891 über dieselbe vor dem Seegericht zu Hull werde verhandelt werden, dessen Entscheidung dem Seeamt demnächst mitgetheilt werden solle. Gleichzeitig übersandte das Board of Trade einen Auszug aus dem Schiffsjournal des „Ouse", welcher in deutscher Uebersetzung folgendermaßen lautet:

      „1890. October 5. Um 2 Uhr nachmittags liefen wir aus Antwerpen mit einer aus 200 Tons Stückgüter bestehenden Ladung aus, um nach Goole zu fahren. Alles ging gut bis um 11 Uhr 45 Minuten nachts, um welche Zeit der erste Steuermann die Wache auf Deck hatte; es wehte ein starker westlicher Wind, und es lief eine schwere See. Zu gleicher Zeit sahen der Mann am Ausguck und der erste Steuermann ein Fahrzeug ¾ Strich über Steuerbordsbug in 2 oder 3 Schiffslängen Entfernung. Trotzdem das Ruder hart backbord gelegt wurde und die Maschine mit voller Kraft rückwärts arbeitete, traf mein Schiff doch das andere am hinteren Ende der Backbordseite und beschädigte es derart, daß jenes in 7 bis 8 Minuten sank. Wir setzten ein Rettungsboot aus und fuhren so nahe, als ich verantworten konnte, an die Stelle, wo die Collision stattgefunden, heran, doch konnten wir nichts sehen oder hören. Ich that alles Erdenkliche, um Menschenleben zu retten, und erst nach zweistündigem Aufenthalt fuhren wir weiter.
      E. D. Redford, Capitaine,
      Henry Barnard, Steuermann."

    5. Die Verhandlung vor dem Seegericht zu Hull hat in den Tagen vom 8. Bis 10. September 1891 stattgefunden und mit der nachstehenden, dem Seeamt vom Board of Trade mitgetheilten Entscheidung geendet:
      Die am 5. October 1890 in der Nordsee erfolgte Collision des „Ouse" mit einem fremden Fahrzeug und der dadurch verursachte Verlust des letzteren sind darauf zurückzuführen, daß dasselbe von den an Bord des „Ouse" befindlichen Leuten nicht eher bemerkt wurde, als bis es nur noch in so geringer Entfernung von dem Dampfer sich befand, daß ein Zusammenstoß unvermeidlich war. Das Gericht ist der Ansicht, daß sich allein der erste Officier des „Ouse" eines Fehlers schuldig gemacht hat und suspendirt daher das Steuermanns-Patent desselben auf 6 Monate. In den Entscheidungsgründen heißt:
      Es Der Dampfer „Ouse" sei 220 Fuß lang, 30 Fuß breit und mit einer Maschine von 130 indicirten Pferdekräften ausgerüstet. Derselbe habe Antwerpen am 5. October 1890 nachmittags 2 Uhr verlassen und mit voller Kraft ungefähr 11 Knoten gelaufen. Abends 6 Uhr 45 Minuten habe er sich auf der Höhe von West-Kapelle befunden und nun NzW¾W gesteuert. Der Wind sei West gewesen. Abends 10 Uhr 20 Minuten habe sich der Schiffer in das Kartenzimmer begeben, um zu ruhen. Der erste Steuermann habe die Wache gehabt und sei vom Schiffer beauftragt gewesen, ihn um Mitternacht eventuell aber, wenn etwas Außergewöhnliches vorkommen sollte, schon früher zu wecken.

      Damit der Dampfer bei dem steifen Winde ruhiger liege, habe man das Vorgaffelſsgel gesetzt. Die See sei hoch, die Luft dunkel aber klar gewesen, und zuweilen sei der Mond durchgekommen. Der überkommenden Seen halber habe der Steuermann den Ausguckmann vorn weggenommen und neben sich auf die Commandobrücke postirt, von wo derselbe trotz des Gaffelsegels gut habe voraussehen können. Kurz vor Mitternacht habe der erste Steuermann 1 Strich über Steuerbordsbug in einem Abstande von 2-3 Schiffslängen ein rothes Licht und die Segel eines fremden Schiffes gesichtet, welches mit Steuerbordhalsen gelegen und ungefähr SSW gesteuert habe. Der erste Steuermann habe sofort „volle Kraft rückwärts" und „Ruder hart Backbord" commandirt. Der Dampfer sei denn auch 3–4 Striche abgefallen, aber schon wenige Secunden später habe er das Segelschiff an Backbordseite hinten getroffen. Der Stoß solle kein heftiger gewesen sein.

      Das Segelschiff, eine Bark, sei dicht an der Backbordseite des Dampfers längs und unter dessen Hinterschiff vorüber gestrichen, aber obwohl man Schreien gehört habe, sei doch niemand an Bord zu sehen gewesen. Inzwischen sei auch Schiffer Redford an Deck erschienen. Derselbe habe, als beide Schiffe von einander frei gewesen seien, die Maschine mit voller Kraft vorwärts schlagen und das Ruder hart nach Backbord legen lassen, um zu dem beschädigten Segler herum zu kommen. Als der Dampfer noch etwa 200 Yards von letzterem entfernt gewesen sei, habe man das Rettungsboot des Dampfers mit dem ersten Steuermann und 4 Mann zu Wasser gebracht; gleichzeitig habe aber einer der Passagiere von der Commandobrücke aus gerufen, er habe das Segelschiff untergehen sehen. Von diesem sei denn auch nichts mehr zu erblicken gewesen.

      Gleichwohl habe sich das Rettungsboot an die Unfallstelle begeben, sei aber nach halbstündigem vergeblichen Umhersuchen zu dem Dampfer zurückgekehrt, welcher noch etwa 2 Stunden lang in der Nähe umhergekreuzt und dann seine Reise fortgesetzt habe. Unter den Schiffstrümmern, welche an der Collisions-Stelle auf dem Wasser geschwommen, seien vom Boot aus eine kurze Leiter und ein alter Eimer bemerkt worden. Nach dem Zusammenstoß habe man an dem Vordertheil des „Ouse" die rothe Laterne der gesunkenen Bark mit dem zugehörigen Brett aufgefunden, welche Gegenstände in Goole an die zuständige Behörde abgeliefert seien. Der Schiffer und der erste Steuermann des „Ouse" hätten sich dahin ausgesprochen:
      entweder habe das rothe Licht der Bark bis unmittelbar vor seinem Insichtkommen nicht gebrannt oder dasselbe müsse durch Segel verdeckt gewesen sein. Hierfür sei indeß kein Beweis erbracht, und jedenfalls hätten bei sorgfältigem Ausguck die Segel der Bart schon in einer Entfernung bemerkt werden müssen, bei welcher jede Gefahr einer Collision ausgeschlossen gewesen wäre. Der Führer des Fischerkutters „Souvenir" aus Ramsgate habe angegeben, er habe am 13. October 1890 etwa 60—70 Seemeilen NzW von West-Kapelle-Feuer ein Laternenbrett, einen Eimer und ein mit „Arnold von Bippen" beschriebenes Namensbrett unter vielen Schiffstrümmern aufgefunden. Ob der mit dem „Ouse" in Collision gewesene Segler den Namen „Arnold von Bippen" getragen habe, das habe nicht festgestellt werden können. Was der Dampfer gethan habe, um einen Zusammenstoß zu verhüten, sei an sich richtig gewesen, aber es sei zu spät geschehen, da eine Collision damals nicht mehr habe vermieden werden können. Der Grund aus welchem man das Seitenlicht des Seglers erst so spät gewahrt habe, liege darin, daß kein so guter und sorgfältiger Ausguck gehalten worden sei, wie er auf See gehalten werden müsse. Die Verantwortung hierfür treffe den ersten Steuermann, welchem daher das Patent auf 6 Monate entzogen worden sei. Nach dem festgestellten Sachverhalt müsse angenommen werden, daß der Segler gesunken, und dabei Menschenleben verloren gegangen seien.

    6. Die Rhederei der Bark „Arnold von Bippen" hat nunmehr gegen diejenige des Dampfers „Ouse" vor dem Admiralitätsgericht zu London eine Klage auf Schadenersatz angestrengt. Ueber diese Klage hat der genannte Gerichtshof durch Erkenntniß vom 20. Juni 1892 dahin entschieden, daß die Rhederei des „Ouse" derjenigen der Bark den halben, demnächst zu bestimmenden Werth derselben und deren Inventars sowie die halbe Fracht unter Abzug der Heuer und Beköstigung der Mannschaft zu zahlen, jede Partei aber die Gerichtskosten zur Hälfte und die eigenen Kosten ganz zu tragen habe. In den Entscheidungsgründen dieses Urtheils hat der Gerichtshof im wesentlichen folgendes ausgeführt:Nach den Zeugen-Aussagen der frühere Führer der Bark, Schiffer Möller in Wustrow, und der frühere Schiffskoch, jetzige Portier Haase hierselbst, hatten in der im Vordertheil aufgefundenen rothen Seitenlaterne mit Bestimmtheit diejenige des „Arnold von Bippen" wieder erkannt – sei nunmehr voll erwiesen, daß der „Ouse" am 5. October 1890 mit der Bark „Arnold von Bippen" in Collision gewesen, und diese infolgedessen gesunken sei. Vom „Ouse" aus habe man die Bark erst gesehen, als die letztere nur noch 2–3 Schiffslängen entfernt gewesen sei. Damals sei Mondlicht gewesen; die Bark habe mithin in einem weit größeren Abstande gesehen werden können. Der Ausguckmann sei auf die Commandobrücke postirt worden. Wenn er von dort aus die Bark erst so spät gewahrt habe, müsse er keinen genügenden Ausguck gehalten haben. Es sei nun weiter zu prüfen, ob das Seitenlicht der Bark von ordnungsmäßiger Beschaffenheit gewesen sei. Daß die bei der Collision an Bord des Dampfers geschleuderte rothe Laterne der Bark schlecht geputzt oder bedient gewesen sei, könne als erwiesen nicht angesehen werden. Ebensowenig sei nach dem Erachten des vernommenen Sachverständigen Morisson anzunehmen, daß die über der Lampe vorhanden gewesene Segeltuch-Kappe deren Licht beeinträchtigt habe. Aber es frage sich, ob der Reflector der Lampe ein genügender gewesen sei, um ein im Sinne des für England normirenden Regulativs ausreichendes Licht zu erzeugen, nämlich ein solches, welches auf eine Entfernung von etwa 2 Seemeilen über 10 Striche sichtbar sei. Letzteres hätten die Trinity Masters verneint in der Annahme, daß jedenfalls 5 Striche nicht gehörig beleuchtet gewesen seien. Der Gerichtshof sei hiernach zu dem Schlusse gelangt,

      1. daß der Dampfer „Ouse" schuldig sei wegen Mangels eines genügenden Ausgucks, daß aber auch

      2. die Bark schuldig gehalten werden müsse, weil sie eine Lampe benutzt habe, welche bezüglich ihres Reflectors den landesgesetzlichen Erfordernissen nicht genüge und daß mithin

      3. beiden Schiffen eine Schuld beizumessen sei.Die Rhederei der Bark hat gegen dieses Erkenntniß des Admiralitätsgerichts kein Rechtsmittel eingelegt. Ihr sind von derjenigen des „Ouse" 1311 £ mit Zinsen zu 4 P. C. vom 1. Januar 1891 erstattet worden, während die ihr erwachsenen Kosten sich auf etwa 14000 M. belaufen haben.


    7. Seitens des Seeamts ist unter dem 10. October 1891 ein Aufruf erlassen und durch Insertion in die hamburger Börsenhalle und die Rostocker Zeitung veröffentlicht, in welchem zu Mittheilungen über das Schicksal der Bark und der zu deren Besatzung gehörig gewesenen, namentlich aufgeführten Personen aufgefordert wird. Der Aufruf ist aber ohne Erfolg geblieben. In ihrem Bestimmungshafen ist die Bark bisher nicht eingetroffen.

    8. Die von England hierher eingesandte bei der Collision auf das Vordertheil des „Ouse" geschleuderte rothe Seitenlaterne lag in der Hauptverhandlung dem Seeamt vor. Der Zeuge, Portier Haase, hat sie wie vor dem Admiralitätsgericht zu London so auch jetzt wieder an verschiedenen von ihm nachgewiesenen prägnanten Merkmalen mit der größten Bestimmtheit als diejenige der Bark „Arnold von Bippen" wiedererkannt und auf Befragen angegeben, er sei bis zum Jahre 1888 volle 7 Jahre lang Schiffskoch an Bord der letzteren gewesen, habe als solcher das Reinigen, Instandsetzen und Anzünden der Seitenlaternen zu besorgen gehabt und könne versichern, daß sich dieselben und insbesondere auch die vorliegende Backbordslaterne stets im besten Zustande befunden und hell gebrannt hätten.


  2. Nach den thatsächlichen Feststellungen unter I sieht es das Seeamt in Uebereinstimmung mit dem Erkenntniß des Admiralitätsgerichts zu London – cfr. Sub. I. F – als voll erwiesen an, daß die Bark „Arnold von Bippen" am 5. October 1890 in der Nordsee mit dem Dampfer „Ouse" in Collision gewesen und infolgedessen gesunken ist, sowie weiter, daß dabei die ganze Besatzung der Bark den Tod in den Wellen gefunden hat. Die Identität der Bark mit dem vom „Ouse" in den Grund gebohrten Segler ergiebt sich ohne weiteres aus dem Umstande, daß am Morgen nach dem Zusammenstoß deren rothe Seitenlaterne an Bord des Dampfers aufgefunden ist, in Verbindung mit dem in rat. I. B festgestellten Auffinden des Namensbrettes der Bark und mit der Thatsache, daß die letztere ihren Bestimmungshafen nicht erreicht hat. Dafür aber, daß niemand von der Besatzung der gesunkenen Bark mit dem Leben davon gekommen ist spricht nicht nur die Darstellung des Schiffers und des Steuermanns des „Ouse" zum Schiffsjournal des letzteren cfr. I D -, sondern auch der Umstand, daß seit dem am 30. September 1890 erfolgten Fortgang der Bark aus Grangemouth von niemand der zu deren Besatzung gehörenden Personen eine briefliche Nachricht oder ein sonstiges Lebenszeichen bei deren Angehörigen oder beim Seeamt eingetroffen ist. Was die den Zusammenstoß des „Ouse" mit der Bark vorausgehenden und nachfolgenden Umstände betrifft, so macht das Seeamt hierfür die mit dem Auszug aus dem Schiffsjournal des „Ouse" in Einklang stehenden Feststellungen des Seegerichts zu Hull und des Admiralitätsgerichts zu London seiner Beurtheilung grundleglich.

    Danach hat der auf der Commandobrücke postirte Ausguckmann des NzW¾W steuernden Dampfers die bei steifem Westwinde SSW anliegende Bark einen Strich über Steuerbordsbug erst dann gesichtet, als beide Schiffe nur noch 2 bis 3 Schiffslängen von einander entfernt gewesen sind. Nunmehr hat man auf dem Dampfer sofort die Maschine mit voller Kraft rückwärts schlagen und das Ruder hart Backbord legen lassen, aber schon wenige Secunden darauf ist der Zusammenstoß erfolgt. Der Dampfer hat mit seinem Vordersteven die Bark an deren Backbordseite hinten getroffen und derartig beschädigt, daß dieselbe bald darauf und ehe noch das Rettungsboot die Collisionsstelle erreicht hatte, mit ihrer gesammten Besatzung in die Tiefe gesunken ist.

    Legt man diesen Thatbestand zu grunde, so kann man die Ursache des betrübenden Unfalls nur darin erblicken, daß die Besatzung des Dampfers der Bark zu spät ansichtig geworden ist und zwar erst zu einer Zeit, wo bei der großen Nähe beider Schiffe bei einander eine Collision nicht mehr zu vermeiden war. Daß man aber vom Dampfer aus die Bark zu spät bemerkt hat, führt das Seeamt mit den beiden mehrerwähnten englischen Gerichten darauf zurück, daß an Bord des Dampfers kein genügender Ausguck gehalten worden ist. Wäre ein sorgfältiger Ausguck gehalten worden, woran der Ausguckmann auch durch das Gaffelsegel des Dampfers nicht verhindert wurde, so würde man von letzterem aus bei der herrschenden klaren und zum Theil vom Mond erhellten Luft unzweifelhaft wenn nicht das rothe Seitenlicht, so doch die Segel der Bark schon in weiter Entfernung und mindestens in einem Abstande gesichtet haben, in welchem jede Gefahr eines Zusammenstoßes ausgeschlossen war.

    Daß die Besatzung der Bark durch Außerachtlassen einer Vorschrift der Kaiserlichen Verordnung zur Verhütung des Zuammenstoßens der Schiffe auf See vom 7. Januar 1880 zu dem Eintritt des Unfalls ihrerseits mitgewirkt hat, ist in keiner Weise angezeigt. Die Bark mußte nach Articel 22 jener dem geltenden internationalen Straßenrecht auf See entsprechenden Verordnung ihren Curs festhalten. Daß sie dem entgegen gehandelt habe, ist von der Besatzung des Dampfers nicht behauptet worden. Dafür, daß ihre Seitenlichter nicht gebrannt hätten oder nicht von vorschriftsmäßiger Beschaffenheit gewesen wären, ist kein ausreichender Beweis erbracht. Insbesondere kann der sich auf das Erachten des Sachverständigen Morisson stützenden Ansicht des Admiralitätsgerichts zu London, daß der Reflector der hier allein interessirenden rothen Seitenlaterne von solcher Beschaffenheit gewesen sei, daß mit ihm sein etwa 2 Seemeilen weit sichtbares Licht über einen Bogen des Horizonts von 10, sondern nur von 5 Compaßstrichen habe geworfen werden können, nicht beigetreten werden.

    Die jetzt dem Seeamt vorliegende Lampe ist bei der Collision auf das Deck des Dampfers geschleudert, demnächst in England verkauft und dort, ehe sie dem Sachverständigen Morisson zur Untersuchung hingegeben war, in verschiedenen Händen gewesen. Es kann somit nicht angenommen werden, daß sie sich damals noch in demselben Zustande befunden hat, in welchem sie sich zur Zeit der Collision befand, vielmehr muß vermuthet werden, daß sie seitdem Veränderungen erlitten hat, welche für die Beurtheilung ihrer Beschaffenheit vor und zur Zeit der Collision von Bedeutung sein können. Sollte aber auch der von dem Admiralitätsgericht gerügte Mangel wirklich schon vor der Collision vorhanden gewesen sein, so würde doch dieser Mangel mit der letzteren in keinem ursächlichen Zusammenhang stehen, da man bei den von beiden Schiffen gesteuerten Cursen vom „Ouse" aus unzweifelhaft das rothe Seitenlicht der Bark grade innerhalb des vom Sachverständigen Morisson als gehörig beleuchtet zugegebenen Bogens von 5 Compaßstrichen, also in seiner vollen Stärke sehen konnte.

    Eine nochmalige Untersuchung der Laterne auf ihre vorschriftsmäßige Beschaffenheit anzuordnen, hat das Seeamt nicht nur aus den eben angeführten Gründen, sondern auch deshalb unterlassen, weil man vom „Ouse" aus" bei sorgfältigem Ausguck die Annäherung der Bark auch ohne deren Seitenlichter, schon auf eine weite Entfernung an deren Segeln erkannt haben würde, und demnach das Fehlen oder die nicht vorschriftsmäßige Beschaffenheit der rothen Seitenlaterne für den hier zur Frage stehenden Unfall überall nicht causal gewesen sein kann. Nach Vorstehendem durfte das Seeamt eine Mitschuld des Schiffers oder Steuermanns der Bark an dem Eintritt des beklagenswerthen Unfalls, welchen leider 12 Menschenleben zum Opfer gefallen sind, unbedenklich als nicht erwiesen bezeichnen.

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