Fortsetzung
Dagegen sehr zu empfehlen für kathol. Geistliche und Laien ist das nicht weit von Wustrow gelegne Ostseebad Müritz. Daselbst befindet sich eine katholische Kirche bezw. Eine Kapelle und eine katholische Seelsorgstelle. Dem Geistlichen ist dort Gelegenheit gegeben täglich zu zelebrieren und die katholischen Laien können täglich, oder wenigstens jeden Sonntag den Gottesdienst besuchen. In Müritz ist ein kathol. Kinderheim und ein vom Bischof von Osnabrück errichtetes Kurhaus für Kurgäste jeder Konfession. Für Kost und Verpflegung werden gezahlt 7-8 M täglich.
Hätte Wustrow nur einen katholischen Betsaal oder eine kleine Kapelle, so wäre es wegen seiner Ruhe und wegen des guten kräftigen Klimas sehr wohl zu empfehlen. Hoffentlich wird die Badeverwaltung Wustrows dafür sorgen, daß auch Katholiken, die dahin kommen, ihren religiösen Pflichten genügen können, indem sie einen kath. Beetsaal errichten läßt. In die Zeit unseres Aufenthaltes in Wustrow fiel der Fronleichnamstag. Die meisten Katholiken hätten an diesem Festtage wohl gerne eine hl. Messe wenigsten Besucht. Gewiß hat sich der Leiter des Fremdenverkehrskomitees alle Mühe gegeben und hat keine Kosten gescheut, um den Katholiken des Sonderzuges den Besuch einer hl. Messe zu ermöglichen. Er hat den kathol. Geistlichen des Ostseebades Müritz gebeten, eine hl. Messe zu lesen.
Da ich als katholischer Geistlicher die Ostseefahrt mitmachte, brachte dieser Geistliche die zum Messelesen notwendigen Sachen und ich konnte in einemTanzsaal um 3/4 11 Uhr eine heilige Messe lesen, welche allerdings nur von 30 Personen besucht war. Wäre dieser Gottesdienst im Programm festgelegt gewesen, wäre er durch den Leiter mehr bekannt gemacht worden und hätte er schon um 10 Uhr stattfinden können, dann hätten gewiß hunderte von Katholiken dieser hl. Messe beigewohnt. Aber die Zeit um 3/4 11 Uhr war die ungünstigste die gewählt werden konnte und wegen der Ankunft des Müritzer Geistlichen gewählt werden mußte, da um 11 Uhr die Zeit zum Mittagessen und um 3/4 12 Uhr pünktlich unsere Abfahrt von Wustrow festgesetzt war.
Auf diese Weise kamen viele Katholiken am hochheiligen Fronleichnamsfeste eines Gottesdienstes. Auch scheinen gewisse Kreise in Wustrow alles aufgeboten zu haben, um die Abhaltung eines katholischen Gottesdienstes gänzlich zu verhindern. Kein Mensch in Wustrow war trotz guter Bezahlung in Wustrow aufzutreiben, um den Meßküster in Müritz zu holen. Obwohl mir der Musikleiter zugesagt hatte, während unseres kath. Gottesdienstes ernste Choräle zu spielen, fand sich nicht die nötige Anzahl Musikanten ein. Da der protestantische Pastor jedenfalls befürchtete, es könnte unser katholische Gottesdienst, wenn seit 100 Jahren - eine staatsgefährliche Handlung darstellen oder es könnte dadurch der konfessionelle Frieden gestört werden, wohnte er selbst dem Gottesdienst bei, bei dem wegen der kürze der Zeit keine Ansprache gehalten werden konnte, sondern nur die Messe verlesen wurde.
Wustrow liegt eben noch in Mecklenburg und in manchen Köpfen scheint trotz der neuen deutschen Reichsverfassung die auch den Katholiken volle freie Relegionsübung garantiert, der alte intolerante Geist noch zu spucken. Gerne möchte ich die 2 noch folgenden Tatsachen nicht als Absicht, sondern mehr als Zufall bezeichnen, wenn ich könnte. Es ist doch gewiß sonderbar, daß ausgerechnet an dem Montag an dem ersten Tage, an dem wir uns in Wustrow befanden in einem auch Wustrow viel gelesenen Ribnitzer Blatte Dr. Martin Luther verherrlicht wurde und von ihm am Schluss des Artikels hieß: „Martin Luther hat sich in Gottes freier Natur wohler gefühlt als hinter den katholischen Klostermauern.“ Wenn das Wort „katholisch“ weggeblieben wäre, wäre diesem Artikel die Spitze genommen gewesen.
Ebenso sonderbar war es auch, daß am Dienstagabend als Kinovorstellung „Zu Ehren des bayer. Sonderzuges“ ein direkt katholisches Stück: „Die Erlebnisse einer Klosternonne“ aufgeführt wurde. Ich bin selbst überzeugt, daß die Veranstalter dieser Kinovorstellung ganz genau wußten, daß an diesem Sonderzug viele Katholiken Anteil nahmen.Und es wär gewiß schicklicher und anständiger gewesen, wenn Sie zu Ehren der am Sonderzug teilnehmenden Katholiken auf die Aufführung dieses katholikenfeindlichen Stückes verzichtet und lieber ein echt deutsches Stück gewählt hätten, durch das Vaterlandsliebe und festes Zusammenhalten der deutschen Stämme gepredigt und gepflegt worden wäre.
Unter der ca. 800 Personen zählenden Reisegesellschaft unseres katholischen Sonderzuges, von der wohl so ziemlich die hälfte protestantisch war, war ich der einzige katholische Geistliche und leicht erkennbar an meiner Kleidung. Gewiß haben auch manche der Bayern mit großen Augen auf mich geschaut, daß ich als katholischer Geistlicher es gewagt habe, mich der Sonderfahrt an die Ostsee anzuschließen. Aber ich muß offen sagen zur Ehre unserer Bayern, waren alle ein Herz und eine Seele und man merkte nicht im geringsten die religiösen Gegensätze im persönlichen Verkehr.
Alle, die mit mir in Berührung kamen, ob Katholiken oder Protestanten, unterhielten sich freundlich mit mir. Dasselbe Lob kann ich nicht allen Mecklenburgern spenden, die mit mir zusammenkamen, bezw. mir begegneten. Sie schauten mich mit großen Augen und mit Blicken an, aus denen mehr die Furcht, als die Ehrfurcht, mehr Verachtung als die Achtung leuchtete. Es ist ja leicht begreiflich, weil in diese Gegenden sich wohl selten ein katholischer Geistlicher verirren wird. Zwei haben mich direkt angehalten, einer in einem besseren Hotel. Es war ein Möbelfabrikant aus Ribnitz, der allerdings, wenn er nach Wustrow kommt, um Gelder einzusammeln, mehr Geld vertrinkt als er einnimmt. In diesem benebelten Zustande rempelte er mich als katholischen Geistlichen an, indem er sich als Protestant vorstellte, Martin Luther als den größten Mann Deutschlands pries und sofort hinzufügte, daß ein drittel Deutschland, also wir Katholiken, ihn nicht verständen. Ich weiß ihn natürlich in echt bayerischer Weise energisch zurecht, worauf er mich dann in Ruhe ließ.
Ein anderer Mann mit seiner Frau begegnete mir im Badeorte Born. Sofort liefen beide auf mich zu lobten auch über alles den Reformator und baten mich um Auskunft in manch religiösen Fragen, in denen ihnen ihr Pastor, dem sie nichts mehr glauben können, keine richtige Aufklärung geben könne. Dieser Mann, der in der Bibel sehr gut belesen und beschlagen war, aber sie ganz falsch auslegte, entpuppte sich nach einer kurzen Unterredung als Adventist oder als ernster Bibelforscher. Ich hatte wirklich Mitleid mit diesem armen nachWahrheit suchenden und strebenden Mann. Er selbst dem die nötige theologische Bildung fehlte, konnte seine Zweifel nicht lösen und derjenige, der ihm vermöge seiner theologischen Ausbildung Aufklärung geben sollte, sein Pastor, fand bei ihm keinen Glauben.
O wie glücklich sind wir Katholiken daran, daß wir ein vom Stifte geleitetes unsehtbares Lehramt in unserer Kirche besitzen, das uns sichere Aufklärung und Auskunft geben kann in allen zum ewigen Heile notwendigen Fragen. Danken wir Gott dafür. Diese inneren unlösbaren Zweifel scheinen diesen armen Mann auch körperlich anzugreifen, wovon sein trauriger und düsterer Blick äußerlich Zeugnis ablegt. Wenn auch diese beiden Männer mich als katholischen Geistlichen in meiner religiösen Weltanschauung angriffen, so muß ich doch wieder ihren Bekennermut und diese Religiosität bewundern und anerkennen. Möchten doch auch unsere Katholiken ihren hl. katholischen Glauben so energisch bekennen, wie diese beiden Männer ihren Glauben offen bekannten, allerdings nicht in einer solchen Form., wie diese es taten, indem sie Andersgläubige in ihrer Glaubensüberzeugung angreifen.
In Wustrow selbst belästigte und beleidigte mich kein einziger Bewohner wegen meines Standes und meines katholischen Glaubens, wenn auch gar viele mich nicht gerade mit freundlichen Blicken anschauten. Ich sah daraus doch, daß in Süddeutschland, speziell in Bayern die beiden im Glauben getrennten Konfessionen sich einander toleranter und freundlicher begegneten, als in dem noch vom früheren intolerantenGeiste durchseuchten Mecklenburg.
Neben diesen ernsten und mir unangenehmen Vorfällen möge auch ein Stückchen Humor zur Geltung kommen. Ich saß in einem Hotel Wustrows neben einem großen stämmigen pommerschen Förster, der nach echter Försterart einen guten Tropen bayrischen Biers liebte und sich auch auf Jägerlatein gut verstand. Er war mit seiner Frau und seiner noch jungen Tochter 3 Stunden weit her mit einem Fuhrwerk gekommen, um die wackeren Bayern zu sehen, mit ihnen sich zu unterhalte und mit ihnen zu tanzen. Die Pommern scheinen gemütlicher und freundlicher zu sein, wie die Mecklenburger. Wir unterhielten uns ganz gut miteinander. Weil er jedenfalls seine Tochter unter die Haube bringen wollte, kam ihm plötzlich in den Sinn, mich zu seinem Schwiegersohn zu erwählen und forderte mich in allem Ernste auf, mit seiner Tochter zu tanzen, das sie so gerne mit einem Bayern tanzen möchte. Da ich ihm natürlich einen anständigen Korb geben mußte, bat er mich, ich möge bei meinen Landsleuten bewirken, daß er eine bayrische Tänzerin und seine Tochter einen bayrischen Tänzer bekomme. So übertrug er mir das wichtige Ehren- und Vertrauensamt eines Tanzvermittlers. Wie er mir später sagte, ist es ihm und seiner Tochter nach vieler Mühe gelungen, doch eine bayer. Tänzer und eine bayrische Tänzerin zu ergattern, weshalb er dann schon gegen 12 Uhr hochbefriedigt und beruhigt, aber auch schwer beladen den Heimweg mit seiner Gattin und seinem holden Töchterlein auf seinem Landauer antrat. Er nahm herzlich Abschied von mir, und bat mich ihn bald möglichst zu besuchen. Es gibt also auch im rauchen Norden unseres deutschen Vaterlandes recht gemütliche Leute, mit denen sich reden läßt. So viel von meiner Ostseefahrt!
Neben einigen kleinen Unannehmlichkeiten bot sie der Hauptsache nach doch Schönes und Angenehmes. Und das wird mein Leben lang in bester Erinnerung bleiben. Da wir Bayern uns während des 6 tägigen Aufenthaltes in Wustrow auf der Bahn und in den Dampfern besser kennen lernten, war die Rückfahrt in unser liebes Bayernland eine recht gemütliche, animierte und heitere. So oft Passagiere ausstiegen, gab es jedesmal einen herzlichen Abschied und ein „Lebewohl“, „auf Wiedersehen“, verbunden mit einem dreimal donnernden Hoch.