Das Schicksal der Bark „Duncraig“
Ein Kapitel aus „Die Schiffer - Gesellschaft zu Rostock "
Copyright by W. Dieter Wagner
Es war am Dienstag am 26. Sept. im Jahre 1899. Über England lag ein weitläufiges Tiefdruckgebiet, das sich fortlaufend verstärkte und ein Unwetter mit Zentrum in Südengland aufbaute. Noch ahnte keiner In Cardiff welche Dramatik sich im Hafen anbahnen würde. Die Rostocker Bark „Duncraig“ lag in den „East-Docks“. Sie war gerade entladen und lag in leerem Zustand fest vertäut im Hafenbecken. Das Schiff wartete auf die georderte Beladung für den neuen Zielhafen Buenos Aires.
Für jedes Schiff ist der Leerzustand eines Schiffes, also ohne Ballast oder Ladung, der instabilste und gefährlichste Zustand. Im geschützten Hafen erwartet man für ein fest vertäutes, leeres Schiff aber keine Komplikationen.
Der 38 Jahre alte und erfahrene, aus Dändorf /Fischland stammende Kapitän Peter Fretwurst der Bark „Duncraig“ hatte deshalb einem Teil der 18-köpfigen Besatzung den Landgang in die Stadt erlaubt, da das sich anbahnende Unwetter noch nicht abzusehen war. Der unvermittelt eintretende Sturm, der sich schnell zum Orkan mit Fallböen aufbaute, traf die noch nicht mit Ladung stabilisierte, leere „Duncraig“ in ihrer schwächsten Position und nahezu chancenlosem Zustand. Das 55,56 m lange und mit 699 BRt vermessene, große Schiff bot im Leerzustand einen entsprechend großen Windfang, riss sich aus seiner Vertäuung am Pier los und trieb hilflos im kenternahen Zustand auf die gegenüberliegende Dockseite.
Die eiserne Bark „Duncraig“ wäre zweifellos durch eine folgende, weitere, sehr starke Boe gekentert, wenn nicht glücklicherweise vor dem quer treibenden Schiff der in Rostock 1889 gebaute Dampfer „Adolf“ gelegen hätte. So fing der 965 BRT große Flensburger Dampfer „Adolf“ (LMDO) der Reederei Heinr. Schuldt, Flensburg, die Rahen und Masten der „Duncraig“ unfreiwillig auf und verhinderte so ihr schon sicheres Kentern. Die Schäden an beiden Schiffen waren nicht so beträchtlich und wurden durch die Versicherung der „Duncraig“ gedeckt.
Die Bark „Duncraig“ wurde von A.M. Millan & Co. im Jahre 1870 in Dumbarton/UK aus Eisen gebaut. Nach 17 Jahren in englischen Diensten hat der Schiffer Peter Fretwurst im Auftrage der Rostocker „Korrespondentrhederei Wilh. Maack“ das Schiff am 23.6.1887 für umgerechnet 61.200 RM in London gekauft. Er selbst war zu diesem Zeitpunkt erst 26 Jahre alt. Die Finanzierung dieses Betrages haben Reeder Wilh. Maack und der Kapitän mit Hilfe Fischländer Schiffer wie folgt vollständig aufgebracht und schon am 15.7.1887 eingezahlt.
Beruf Parten % Reichsmark (RM) Fretwurst, Peter Schipper 24/360 6,67 4.080 Maack, Wilh. Korr.Rheder 7/60 11,67 7.140 23 Per. vom dem Fischld. 278/360 77,72 47.260 Jacobsen Kfm. Ribn. 4/360 1,11 680 1 Witwe aus Dändorf 6/360 1,67 1.020 1 Witwe aus Wustrow 6/360 1,67 1.020 360 100 61.200
Der Schiffer Peter Fretwurst aus Dändorf war selbst kein Mitglied der „Schiffer=Gesellschaft zu Rostock“. Dafür aber seine Verwandten, wie auch satzungsmäßig vorgeschrieben:
- H. P. Fretwurst aus Dierhagen, der am 22.4.1858 Mitglied wurde und 1908 sein 50. Mitgliedsjubiläum im Kreise seiner Schifferbrüder feierte. Er hatte die 126 Lasten große Brigg „Armim“ seit 1865 für 20 Jahre geführt.
- Heinr. Fretwurst, der am 14.2.1867 Mitglied wurde und die 135 Lasten große Brigg „Wolfgang“ führte.
Beide hatten als Mitreeder bereits beim Ankauf des Schiffes „Duncraig“ Parten daran erworben.
Die Bark „Duncraig“ machte in den 15 Jahren unter der Rostocker Flagge erfolgreiche Reisen mit beachtlichen Gewinnen. Sie konnte in der Zeit von 1887 bis zu ihren Verkauf im Jahre 1902 nach dem Abrechnungsbuch einen Gewinn von insgesamt RM 117.780,- einfahren, der nach Beschluss wie folgt als Dividende ausgeschüttet wurde:
Für den Kapitän der 24 Parten hält = RM 23.556 inkl. Kapplaken u. Frachtkommission
Für die Partenreeder mit 336 Parten = RM 94.224 = RM 280,43 pro Part
Bei Ankauf des Schiffes hatte 1 Part = 170 RM gekostet; das entspricht einem Wertzuwachs auf 164,96 Prozent.
Als der Korrespodentreeder Wilh. Maack unerwartet 1902 starb, war mit seinem Tod auch die Geschäftsgrundlage, das heißt die Ladungsverbindungen des Reeders verschwunden. Die Erben des Reeders und die Partenreeder beschlossen deshalb den Verkauf der Bark „Duncraig“.
Der langjährige Kapitän Peter Fretwurst wurde mit dieser - für ihn leidvollen Aufgabe - betraut. Er verkaufte das Schiff, dass ihm 15 Jahre treu gedient hatte, zu einem respektablen Preis nach Norwegen. Dort erhielt es einen neuen Namen. Es wurde in „Spes“ umbenannt. Mit diesem Namen traf das ein, was mecklenburgische und Fischländer Schiffer immer bei Ankaufsschiffen mit Namenswechsel befürchteten, nämlich, dass der neue Namen immer Unglück bringt. Deshalb hatte man damals bei Ankauf der aus Glasgow stammenden „Duncraig“ diesen Namen auch geflissentlich beibehalten.
Unter der Norwegerflagge mit dem neuen Namen lief das Schiff mit Ladung von London nach Fremantle/Australien aus und ist seit dem 11. Nov.1903 mit Mann und Maus verschollen.